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Michael Hüther Gastbeitrag 29. Januar 2009

Geld ausgeben hilft, auf Dauer Geld zu sparen

Antizyklische Fiskalpolitik mit klaren Regeln ist gut, pauschale Rettungsangebote fiir Unternehmen sind schlecht.

Die Krise schreitet munter fort. Die Schreckensmeldungen über Abschreibungen bei den Banken sowie über Nachfrageausfälle in der Industrie reißen nicht ab. Gleichzeitig wachsen Sorgen angesichts der gigantischen staatlichen Finanzmittel für die Rettung des Bankensystems und die Abfederung der Rezession. Die globale Krise erfordert in einer Weise paralleles Handeln der Staaten, wie es seit Generationen nicht notwendig war. Das Gespenst des Staatsbankrotts ist zum ernsthaft diskutierten Thema geworden.

Niemand kann der Politik vorwerfen, im Grundsatz verfehlt oder unangemessen gehandelt zu haben. Für die Entwicklungen der letzten Monate gab es keinen Masterplan, der die wirtschaftspolitischen Reaktionen enthalten hätte. Auch sollte niemand allgemeine Warnungen über einen Crash, die sich hier und dort im Rückblick finden, als Basis für eine sachorientierte Politik sehen. Was hätte wohl die Antwort der Wirtschaftspolitik auf die Warnung sein sollen, dass der Weltuntergang bevorstehe? Eher lässt sich der allgemeine Ratschluss formulieren, in guten Zeiten die Dinge in Ordnung zu bringen.

Die öffentlich artikulierte Sorge über Zustand und Perspektiven der Staatsfinanzen ist wohltuend, weil sie eine gestiegene Sensibilität in der Politik und unter den Bürgern für die Bedeutung dieses Themas erkennen lässt. Als in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts bei stagnierender wirtschaftlicher Entwicklung – also weit entfernt von einer veritablen Rezession – das Maastricht-Kriterium gleich viermal in Folge gerissen wurde, blieb die sorgenvolle Reaktion darauf noch den Ökonomen und einigen Kommentatoren vorbehalten.

Dennoch ist jetzt vor Naivität zu warnen. Denn die Regierung steht nicht vor der Wahl zwischen einer defiziterhöhenden und einer defizitneutralen Fiskalpolitik. Vielmehr geht es um eine Abwägung unter großer Unsicherheit. Wie kann es gelingen, die gesamtwirtschaftlichen Kosten und die finanziellen Lasten dieser Krise in Grenzen zu halten? Nachfragestützende Maßnahmen werden als Chance gesehen, genau dies zu erreichen, um auf Dauer die Staatsfinanzen zu entlasten. Im Übrigen verbaut dies der Stabilitäts- und Wachstumspakt bei solchen Konjunktureinbrüchen gerade nicht.

Niemand, der die Kosten des fiskalischen Handelns den Kosten des Abwartens gegenüberstellen möchte, kann zu genauen Ergebnissen kommen. Doch empirische Studien lassen erwarten, dass antizyklische Finanzpolitik unter den gegebenen Bedingungen wirkt. Man sollte auch beachten, dass Deutschland mit seinem großen Überschuss in der Leistungsbilanz – als Gewinner der Währungsintegration – gegenüber den europäischen Partnerländern nicht in den Ruf des Trittbrettfahrers kommen darf. Dafür ist die Finanzpolitik und nicht, wie gelegentlich behauptet, die Lohnpolitik geeignet.

Trotz alledem bleibt wichtig: Mit der notwendigen Krisenreaktion steht der Staat nicht Kopf und die Wirtschaft nicht vor der Verstaatlichung. Es war deshalb angemessen, dem in dieser Woche verabschiedeten zweiten Konjunkturpaket feste Tilgungsregeln und die Verpflichtung zur Einführung einer Schuldenbremse noch in diesem Jahr beizufügen. Damit sollen an die Bürger und die Kapitalmärkte vertrauenserweckende Signale gesandt werden, die auch mittelfristig die Handlungsfähigkeit des Staates und die Beherrschbarkeit der Staatsfinanzen versprechen.

Die Bonitätsabstufungen, die Staaten bereits hinnehmen mussten, und die Risikoaufschläge für Anleihen südeuropäischer Länder haben freilich die finanzpolitische Tragfähigkeit mancher Strategien in Zweifel gezogen. Sie haben auch daran erinnert, dass der Staatsbankrott kein singuläres Phänomen ist. Eine Untersuchung des Internationalen Währungsfonds weist für die Zeit von 1824 bis 1999 fast 50 solcher Fälle aus. Um die Funktionsfähigkeit der Währungsunion zu bewahren, müssen die großen Volkswirtschaften ihren Teil der Anpassungslast tragen.

Damit dies aber gelingt, muss die Bundesregierung akzeptieren, dass Rettungsmaßnahmen ihre Grenzen haben. Der „Rettungsschirm für Unternehmen“ als Teil des neuen Konjunkturpakets bietet ein unrealistisches Versprechen und verwischt die Verantwortlichkeiten fundamental. Die bestehenden Bürgschaftsvolumen können schon hinreichend ordnungspolitische Bauchschmerzen begründen, doch die Quasi-Einladung zur Beanspruchung durch lautstarke Meldung überfordert den Staat.

Wer will und wer kann diese Entscheidungen sachgerecht treffen? Wer lehnt dann die nächste Eskalation zur direkten Staatsbeteiligung an Unternehmen noch ab?Es ist deshalb an der Zeit, sich grundsätzliche Gedanken über unsere Wirtschaftsordnung zu machen. Dies wird nur gelingen, wenn wir uns durch das ganze Desaster nicht den Blick dafür verstellen lassen, dass wir keine Krise des Systems, sondern eine Krise im System erleben. Dazu gehört aber ebenso, dass wir die Verantwortlichkeiten dafür erkunden, benennen und öffentlich einfordern. Bislang ist das nicht geschehen. Der allfällige Hinweis auf falsche Regelwerke enthebt niemanden der Haftung. Eine Gesellschaft, die sich nur aus Opfern rekrutiert, kann das Geschenk der Freiheit nicht bewahren. Es muss auch deutlich werden, wer gehandelt hat. Nur auf dieser Basis wird es möglich sein, eine sachliche Debatte über die grundsätzliche, also krisenbereinigte Verantwortungsteilung zwischen dem Einzelnen und dem Staat zu führen.

Und nur auf dieser Grundlage wird es gelingen, Gemeinsinn zu stärken und wo nötig neu zu bilden. Eine Lehre der Krise liegt gerade darin, dass Gesellschaften darauf ebenso wenig verzichten können wie auf die Bereitschaft und die Fähigkeit, auch in schweren Zeiten Haftung zu tragen.

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