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Michael Hüther Gastbeitrag 16. August 2007

Gefährlicher Grenzgang

Die strategische Zielsetzung, die Staatsfonds angeheftet wird, ist bislang nur eine Vermutung.

Wir leben im Informationszeitalter. Nie zuvor war es für den Einzelnen so leicht, gewünschte Informationen zu beschaffen. Computer und Netzwerke haben einen Quantensprung erbracht. Das muss nicht jedem gefallen, und es gefällt offenkundig auch manch einem nicht. Denn die schnellere und umfassendere Verfügbarkeit von Daten hat natürlich die Wettbewerbslage in den zugleich globaler gewordenen Märkten stark verändert. Wer den Informationsvorsprung mit entsprechender Analysekompetenz verbinden kann, der gehört zu den Gewinnern.

Gepaart mit der größeren Freiheit beim Zugang zu nationalen Märkten, geringerer Staatstätigkeit und der marktwirtschaftlichen Öffnung der Transformationsländer hat die Revolution in der Kommunikationstechnik der Globalisierung den Grund gelegt. Die Gewinne aus der Entwicklung erkennen wir eindrucksvoll angesichts eines seit dem Jahr 2004 stabilen Wachstums der Weltwirtschaft von rund fünf Prozent jährlich. Der Aufschwung in Deutschland wäre ohne diesen Antrieb nicht zu erklären. Die Kapriolen an den Finanzmärkten werden diesen Trend nicht gefährden.

Die vier Grundfreiheiten - freie Mobilität von Gütern und Diensten, Arbeit und Kapital - sichern seit der Realisierung des Binnenmarktes in der Europäischen Union die Möglichkeiten der internationalen Arbeitsteilung ab. Ähnlich, wenn auch noch unvollständig, sorgt die Welthandelsordnung für einen entsprechenden globalen Handlungsrahmen. Wer die Tragfähigkeit der weltwirtschaftlichen Expansion verstehen will, der muss die damit gegebenen Möglichkeiten der internationalen Arbeitsteilung erkennen. Hier liegt der Antrieb für den Strukturwandel.

Gleichwohl, und wer wollte das bestreiten, gibt es auch unter diesen Bedingungen Fehlentwicklungen und Fragwürdiges. Nicht jede Investition ist erfolgreich, nicht jeder Investor basiert seine Entscheidung auf ein längerfristig ökonomisches Kalkül. So geistern seit einiger Zeit böse Buben durch die politische Debatte: Staatliche Agenten, die sich als private Investoren tarnen und unsere Unternehmen aus fragwürdigen politisch-strategischen Interessen ihrer Länder kaufen.

Tatsächlich erleben wir seit kurzem eine neue Qualität internationaler Kapitalmobilität. Wer hätte es noch vor 15 Jahren für möglich gehalten, dass ein russisches Unternehmen in einen deutschen Fußballverein investiert oder ein chinesischer Staatsfonds sich bei einem amerikanischen Finanzinvestor engagiert?

Doch die Freude über diese historische Wendung wird von der Befürchtung dominiert, dass das Engagement bei deutschen Unternehmen politische Ziele verfolgt und dadurch mittelfristig Probleme für unsere Volkswirtschaft entstehen. Dabei wird recht vage darauf verwiesen, dass solche Staatsfonds ja nicht allein auf eine maximale Rendite ihrer Investition schielen, was entgegen sonst zu vernehmenden moralinhaltigen Aussagen nun Sorge bereitet. Vor allem für Schlüsselindustrien wird deshalb die Abschottung gegen solche Investoren gefordert, wobei eine Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes ebenso erwogen wird wie die gezielte Nutzung "goldener Aktien" mit Vetorechten bei unternehmerischen Grundsatzentscheidungen.

Nach EU-Recht sind solche Eingriffe in die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit äußerst kritisch zu sehen und allenfalls gerechtfertigt, wenn das Allgemeinwohl und die öffentliche Sicherheit gefährdet sind. Aus der Politik kommt regelmäßig der Hinweis, dass neben Rüstungsfirmen auch Unternehmen der Energieversorgung, der Telekommunikation und der Infrastruktur zu den sensiblen Bereichen gehören.

Bislang fehlt freilich ein wirklich stichhaltiges Argument für eine Abschottung gegen Staatsfonds. Zumal auch bei solchen Fonds, die wie im Fall Chinas aus hohen Währungsreserven gespeist sind und das Ziel der Risikodiversifizierung verfolgen, das langfristige Renditeinteresse dominieren sollte.

Wo liegt volkswirtschaftlich das Problem, wenn ein Marktteilnehmer mehrheitlich in ausländischen Händen wäre? Bei einer marktbeherrschenden Stellung ist grundsätzlich das Kartellamt gefordert, zumal das Problem regelmäßig bei ehemaligen Staatsunternehmen virulent ist. Wichtig ist deshalb, die Märkte offen und Marktpositionen bestreitbar zu halten, indem Außenseiter faire Eintrittschancen haben.

Bei Netzen mit Infrastrukturcharakter besteht ohnehin eine staatliche Verantwortung für deren Bereitstellung und Öffnung für den Wettbewerb. Dann bleibt der sicherheitsrelevante Teil der Militärtechnik, der aber nicht im Kern des volkswirtschaftlichen Strukturwandels steht. Hier gibt es schon jetzt Geheimhaltungsstufen und einen gesetzlichen Genehmigungsvorbehalt.

Wenn das Engagement staatlicher Fonds zu einer versteckten Verstaatlichung führt und das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil nutzen kann, dann ist es ordnungspolitisch geboten, dass sich die Wettbewerbsbehörden damit beschäftigen. Niemand wird freiwillig und dauerhaft auf Rendite verzichten wollen und können, wenn in offenen Märkten hinreichend Wettbewerb und damit eine Alternative für Kunden 6owie Anleger besteht.

Deshalb benötigen wir zu aller erst eine effektive Wettbewerbspolitik, deren internationale Koordinierung allerdings effizienter gestaltet werden kann als heute. In dynamischen Märkten verlieren viele Steuerungsprobleme ihre Bedeutung, die sich gewöhnlich aus der statischen Sicht der Politik stellen. Grund für den ordnungspolitisch gefährlichen Grenzgang zur aktiven Industriepolitik gibt es nicht.

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