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Michael Hüther Gastbeitrag 14. Dezember 2006

Ein Monopol für Glücksbringer

Die Regulierung des Berufs des Schornsteinfegers ist eine klassische Sünde wider Marktwirtschaft und Wettbewerb.

Wir nähern uns dem Jahresende. Während überall die Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest langsam in die letzte Runde gehen, wird in vielen Gärtnereien das neue Jahr vorbereitet: Als Glücksbringer werden vierblättrige Kleeblätter gezogen, die wir dann, ausstaffiert mit Schornsteinfeger, Glückspilz und Leiter, als Neujahrsgruß erwerben können. Es ist fast wie im richtigen Leben: In jedem Topf ist nur ein Schornsteinfeger, so wie in jedem Kehrbezirk auch. Doch was als Ausstattung für Neujahrsgrüße sinnvoll ist, das trifft in der Realität auf immer deutlicheren Widerstand.

Die EU-Kommission hat in einem Vertragsverletzungsverfahren bereits 2001 beim deutschen Monopol für Schornsteinfeger verschiedene Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht – die Dienstleistungs- und die Niederlassungsfreiheit – identifiziert. Bis zum 17. Dezember dieses Jahres läuft die der Bundesregierung gesetzte Frist, um durch eine gesetzliche Änderung das europäische Verfahren noch abwenden zu können. Die EU-Kommission moniert den beschränkten Zugang zum Beruf des Schornsteinfegers, ebenso dessen auf einen Bezirk begrenzte Ausübung sowie die Pflicht zum Eintrag in eine Bewerberliste.

Ökonomisch ist die Regulierung des Schornsteinfegerberufs genau das, was mit Marktwirtschaft und Wettbewerb nun rein gar nichts zu tun hat. Zugleich ist es der Idealfall individueller, lebenslanger Rente. Wenn man es erst einmal geschafft hat – durchschnittlich dauert es für Neulinge gut zwölf Jahre -, einen der über 8 000 Kehrbezirke durch Zuweisung des Regierungspräsidenten oder verwandter Behörden zu ergattern, dann hat man ausgesorgt. Gebietsmonopol und Gebührenordnung sichern die Einkommensperspektive fundamental .ab, Preis und Menge sind festgelegt. Service kann klein geschrieben werden. Es ist der Kunde, der als Bittsteller auftreten muss.

Historisch stammt das Schornsteinfegermonopol aus dem Jahre 1935. Es ist damit Teil der umfassenden Regulierungskampagne, die unter Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht in diesen Jahren Deutschland erfasste und bis heute tiefe Spuren in unserer Wirtschaftsordnung hinterlassen hat. Umso dringender ist es, dass wir den Weckruf aus Brüssel ernst nehmen, hier wie bei anderen Forderungen nach Deregulierung.

Dazu muss am Anfang gleichwohl eine ernsthafte Prüfung der Argumente für ein solches Gebietsmonopol der Schornsteinfeger stehen, auch wenn es uns um die Früchte des Wettbewerbs, der Kostentransparenz, des Preissenkungsdrucks und der Qualitätsverbesserungen bringt.

Das Argument für die Regulierung ist die damit zu erreichende Sicherheit für Feuerungsanlagen in Wohnhäusern durch Feuerstättenschau und Bauabnahme. Die Anzahl der Todesfälle durch Vergiftung mit Kohlenmonoxid sei, so der Innungsverband, in Deutschland deutlich niedriger als im Ausland. Doch warum dies eine so weit reichende Ausschaltung des Wettbewerbs und damit eine Bevormundung der Bürger erzwingt, konnte bislang niemand begründen. Denn was müsste man nicht alles vergleichbar regeln: Nahe liegend wäre die Beschau der Elektrizitätsinfrastruktur von Gebäuden.

Auch die vom Staat gewünschte Kontrollsicherheit für die Einhaltung vorgegebener immissionsschutzrechtlicher Auflagen erfordert nicht die bestehenden Strukturen. Der Fortschritt in der Heizungs-, Regelungs- und Überwachungstechnik wird völlig ignoriert, so als lebten wir noch unter den Bedingungen des Jahres 1935. Man könnte die Deregulierung sogar mit Entbürokratisierung verbinden, wenn man den Messnachweis an die Entrichtung der Haftpflichtversicherung für Haus und Grund oder der Grundsteuer koppeln würde. Ebenso kann ein zertifizierter Installateur die Messung vornehmen, so wie der Optiker die Sehkraftminderung ermitteln kann, ohne dass es eines augenärztlichen Testats bedarf.

Der Schornsteinfeger agiert hier als "beliehener Unternehmer", dem der Staat für seinen Bezirk ein Prüfmonopol erteilt hat. Diese Tätigkeit hat angesichts der gesetzgeberischen Initiativen wie Bundesimmissionsschutzgesetz und Kleinfeuerungsanlagenverordnung immer mehr an Bedeutung gewonnen. Derzeit verbindet sich mit der 1. Bundes-Immissions-Schutzverordnung ein jährlicher Messaufwand von rund 500 Millionen Euro. Bezogen auf die ursprüngliche Regulierung, hat der Gesetzgeber damit den Schornsteinfegern Zusatzrenten gewährt. Ein ungewöhnlicher Vorgang.

Wie weit der Ärger über das Gebietsmonopol der Schornsteinfeger reicht, das kann man an den verschiedenen Internet-Portalen zu diesem Thema erkennen. Legion sind mittlerweile die dort hinterlegten Erfahrungsberichte über bürokratisches, kostenträchtiges, kundenunfreundliches und anmaßendes Verhalten von Schornsteinfegern. Es grenzt deshalb nahezu an ein Wunder, dass die Neujahrsgrüße immer noch mit Schornsteinfegerfiguren ausgestattet werden. Aber mit Mythen ist es ähnlich wie mit Regulierungen: Sie halten sich lange.

Dabei würde ein Wettbewerbssystem nicht nur die geschützten Räume der Schornsteinfeger aufbrechen, sondern ihnen auch neue Perspektiven für Beratungs- und Reparaturaufgaben eröffnen. Ein Eckpunktepapier des Bundeswirtschaftsministeriums sieht wohl vor, dass die Kehrbezirke künftig europaweit für zehn Jahre ausgeschrieben werden sollen. Dies wäre zwar vermutlich europatauglich, würde aber an den bestehenden Strukturen faktisch nichts ändern. Zu einer wirksamen Marktöffnung käme es nicht, die Bürger würden weiter gegängelt. Das letzte Wort darf dies deshalb nicht gewesen sein.

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