Die Währungsunion war bisher ein Erfolg. Aber sie bleibt es nur, wenn die Geldpolitiker Kurs halten.
Disziplin zahlt sich aus
Drei Jahreszahlen markieren den Weg zur europäischen Währungsintegration: 1993, 1998 und 2008. Sie machen zugleich deutlich, durch welch unterschiedliche monetäre Welten wir uns innerhalb von anderthalb Jahrzehnten bewegt haben.
1993 war das Jahr großer Währungsturbulenzen, die am 2. August darin gipfelten, die Bandbreiten für die obligatorischen Interventionen im damaligen Europäischen Währungssystem von 4,5 Prozent auf 30 Prozent zu erweitern. Nur Deutschland und die Niederlande blieben bilateral bei der alten Regelung, also einer recht engen Verbindung.
Spekulative Attacken waren seit Sommer 1993 vor allem gegen den französischen Franc gerichtet, ohne dass für ihn ein Abwertungsbedarf gegenüber der D-Mark erkennbar war. Eine Rolle spielte eher die Einsicht, dass das hohe Niveau der geldpolitischen Zinsen in Deutschland von den übrigen europäischen Staaten ohne Wechselkursanpassungen nicht verkraftet werden könnte. So waren damals, ein Jahr nach Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages, die Aussichten für eine Europäische Währungsunion schlecht. Der Sachverständigenrat skizzierte seinerzeit gar die Gefahren einer Renationalisierung der Währungspolitik.
Das Jahr 1997 galt dann doch als möglicher Starttermin. Doch es verstrich. Und mancher hoffte insgeheim auf ein stilles Ende des Projektes – vor allem, weil es zu wenig politische Koordination gab, um die gemeinsame Geldpolitik abzusichern. Im Mai 1998 wurden aber doch die Weichen zur Währungsunion gestellt. Dabei waren die Risiken groß. Vor allem der Zustand der öffentlichen Finanzen in vielen potenziellen Mitgliedsländern war besorgniserregend. An einen wirksamen Sanktionsmechanismus, um haushaltspolitische Disziplin zu erzwingen, wollten viele trotz des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht so recht glauben.
So erscheinen die Hinweise des Sachverständigenrates im Jahresgutachten 1992 als angemessen: "Es gibt keine Stabilitätsgarantie. Es gibt freilich auch nicht das Umgekehrte, die Sicherheit des stabilitätspolitischen Misserfolges. Gewiss: Stabilitätspolitisches Verhalten will eingeübt sein. Aber: Genau dies findet statt". Diese nüchterne Position mit ihrer Betonung der Stabilität des Geldwertes wurde von manchen als Fetisch, von anderen als Ablehnung einer makroökonomisch notwendigen Mischung aus Geldpolitik und Finanzpolitik kritisiert.
Die nunmehr zehn Jahre seit der Entscheidung über den Beginn der Währungsunion waren ein Prozess des Suchens und auch des Findens. Das Stabilitätsziel der Geldpolitik hat hohe Glaubwürdigkeit. Die Verfehlungen der Finanzpolitik konnten dem nichts anhaben, obwohl die Sanktionsprozesse gegen Deutschland und Frankreich nach Überschreiten der Grenzen für das Budgetdefizit in den Jahren 2002 und 2003 ausgesetzt wurden. Letztlich ist entscheidend, dass keiner ernsthaft die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) angreift.
So hat sich bisher das institutionelle Arrangement für die Notenbank als hinreichend erwiesen. Es war allemal stärker als die denkbaren diskretionären Eingriffe der Wirtschaftspolitik, wie sie in den neunziger Jahren nicht nur mit Blick auf die in nationaler Hoheit verbliebene Finanzpolitik, sondern auch angesichts der wechselkurspolitischen Kompetenz beim Europäischen Rat diskutiert wurden. Angesichts mancher Debatten im Vorfeld der Währungsunion sind die aktuellen gesamtwirtschaftlichen Daten für die Euro-Zone als erstaunlich zu werten.
Die von der EU-Kommission vorgelegten Prognosen weisen für die Euro-Zone ein Fiskaldefizit aus, das nach dem Tiefststand 2007 mit 0,6 Prozent bezogen auf das nominale Bruttoinlandsprodukt in diesem und im kommenden Jahr bei rund 1,0 Prozent liegen wird.Gute Konjunktur und Strukturmaßnahmen erklären das. Sorge macht hingegen die Inflation, die wegen stark steigender Energie- und Lebensmittelpreise 2008 bei 3,2 Prozent und 2009 bei 2,2 Prozent liegen wird. Aber das stellt der Stabilitätskultur in der Währungsunion noch kein schlechtes Testat aus.
Es wird nun darauf ankommen, angesichts weltweit turbulenter Entwicklungen auf den Geld- und Kreditmärkten den Blick für das Wesentliche der Geldpolitik nicht zu verlieren. Die Notenbanken haben zwar die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte im Auge zu haben und stabilisierend zu handeln. Genau das hat bisher die EZB auch getan. Es ist aber nicht Aufgabe der Zentralbanken, durch aggressive Zinssenkungen private Akteure aus der Risikoklemme zu befreien. Das hat die US-Notenbank versucht und dabei die Begrenztheit ihrer Wirkung erfahren.
Vor diesem Hintergrund – und nicht nur angesichts einer Dekade seit dem Gründungsbeschluss zur Währungsunion – wird 2008 ein besonders herausragendes Jahr in der Positionierung der europäischen Geldpolitik. Der Umgang mit den Krisen an den Geld- und Kreditmärkten wird zur Lektion über angemessene Geldpolitik, die sich keiner Überforderung aussetzt. Was vielen als unmodern erschien, nämlich der Verzicht auf konjunkturpolitische Steuerung, erweist sich unverändert als richtig. Niemandem ist geholfen, wenn die Notenbanken Kompetenz beanspruchen, die sie nicht haben.
Dabei kommt es auch darauf an, in der Europäischen Union die Verantwortung für die verschiedenen wirtschaftspolitischen Ziele nicht in einem Koordinierungsbrei zu vermengen. Die EU-Kommission beklagt in ihrem Bericht zum 10. Jahrestag der Entscheidung für die Währungsunion das zu geringe Wachstumspotenzial. Die Lösung sieht sie in einer weit über die Finanzpolitik hinausgehenden Koordination. Dies ist angesichts der gemeinsamen Währung indes aber nicht zwingend. Ja, mehr noch: Es hieße, den Gedanken des institutionellen Wettbewerbs aufzugeben. Und Europa braucht davon eher mehr als weniger!
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