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Michael Hüther Gastbeitrag 8. Mai 2008

Die Steuern müssen sinken

In einer glaubwürdigen Perspektive für eine Steuerreform liegt eine Chance für den Finanzminister.

Nach der Steuerreform ist vor der Steuerreform. Diese Einsicht in die Unvermeidlichkeit schreckt jeden Finanzminister. Dennoch muss er damit rechnen, dass in regelmäßigen Abständen nicht nur Bürger schüchtern nach der nächsten Senkung der Steuerlast fragen, sondern auch politische Kräfte dieses Thema mit entsprechenden Vorschlägen präsentieren. Genau an diesem Punkt sind wir wieder angelangt. So gesellen sich zu den ausufernden Ausgabenwünschen der verschiedenen Bundesministerien Forderungen nach einer Milliardenentlastung für die privaten Haushalte.

Allerdings gibt es auch gesellschaftliche Gruppen, die sich mit einem Steuererhöhungsprogramm profilieren wollen wie die Linkspartei und der linke Flügel der SPD. Offenkundig glaubt man, mit Spitzensteuersätzen in der Einkommensteuer von über 50 Prozent Wähler gewinnen zu können. Vermutlich wird man die Steuermehreinnahmen in Geschenke an jene Gruppen transformieren wollen, die Gerechtigkeit vor allem am Bedarf, nicht aber an der individuellen Leistung orientieren. Willkommen in der Vorstellungswelt der siebziger Jahre!

Allein vor diesem Hintergrund ist es verdienstvoll, wenn die CSU durch einen Stufenplan konkrete Vorstellungen über Steuerentlastungen entwickelt. Dies bietet die Möglichkeit für eine detaillierte Diskussion über sinnvolle und weniger sinnvolle Bestandteile einer Reform der Einkommensteuer. Zu Letzteren zählt die Forderung, die Entfernungspauschale wieder einzuführen.

Zugegeben: Die gegenwärtige Lösung ist willkürlich. Allerdings würde mit einer Ausweitung eine lange bemängelte Verzerrung des Steuerrechts reaktiviert, die ausgleichend nach einer steuermindernden Berücksichtigung hoher Mieten in Ballungsräumen ruft.

Wichtig ist hingegen eine Debatte über den Steuertarif. Denn derzeit belastet die Einkommensteuer untere und mittlere steuerpflichtige Einkommen relativ scharf.

Der Tarif verläuft insgesamt recht steil, besonders im unteren Bereich bis zum Knick bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 12.739 Euro (für Alleinstehende), und er erreicht den oberen Steuersatz von 42 Prozent bereits bei 52.152 Euro.Mittelfristig muss es gelingen, den Tarifknick vollends zu glätten, um dadurch leistungsfreundlicher zu wirken, und den Einstiegsbetrag für den oberen Steuersatz zu erhöhen.

Dies ist regelmäßig geboten, weil der Grundfreibetrag nach Verfassungsrechtsprechung der Entwicklung des Existenzminimums folgend zu erhöhen ist. Der Steuertarif unterliegt an seinem Startpunkt damit quasi einer Realwertsicherung, die bei unveränderten oberen Tarifgrenzen gerade mittlere Einkommen durch einen steileren Tarif treffen würde.Dies führt zu der Idee, den gesamten Steuertarif an die Inflation zu indexieren. Dagegen wird vorgebracht, dass es so zu einer Gewöhnung an Inflation komme. Ebenso bedenkenswert ist der Hinweis, dass der Staat gerade über die progressive Einkommensteuer zum Inflationsgewinner wird und so ein Interesse daran entwickelt.

Tatsächlich ist der Staat ein beachtlicher Treiber der Inflation. So sind die Gebühren seit 1995 um satte 45 Prozent gestiegen. Die Verbraucherpreise jenseits staatlichen Einflusses legten nur um 17 Prozent zu. Ferner beeinflusst der Staat mittelbar über Verbrauchsteuern die Preise. Das Plus betrug hier seit 1995 stolze 65 Prozent. Dass der Staat zum Stabilitätsanker werden könnte, ist einstweilen nicht in Sicht. Der jüngste Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst wird dafür sorgen, dass die Kommunen bei der Teuerungsrate ihre Führungsposition behalten. Dies alles lässt bei ohnehin stärkerer Inflation unabhängig von realer Einkommensentwicklung die Steuerquellensprudeln.

Auch wenn man eine Indexierung des Einkommensteuertarifs scheut, muss der Steuerertrag dieser kalten Progression regelmäßig wieder zurückgegeben werden. Dies ist eine Selbstverständlichkeit und noch keine reformpolitische Leistung. Schon heute muss darüber befunden werden. Dabei ist auch zu überlegen, den Eingangssteuersatz zu senken.

Das Gegenargument, dieser sei im europäischen Vergleich bereits niedrig, trägt nicht. Der Hinweis auf den Standortwettbewerb hat hier keine Bedeutung. Entscheidender ist die Schnittstelle zum Transfersystem aus Arbeitslosengeld 11, Wohngeld und Kindergeldzuschlag. Diese Instrumente wirken derzeit wenig konsistent und anreizkompatibel.

Alles in allem gibt es gute Argumente, eine Weiterentwicklung der Einkommensteuer bereits jetzt ins Auge zu fassen und dadurch den Bürgern von ihren Leistungseinkommen mehr zu belassen. Wer dagegen die Senkung der Sozialabgaben präferiert, der muss deutlich machen, wie dies ordnungspolitisch gelingen kann.

In den Bereichen Gesundheit und Pflege fehlte die Kraft zu wettbewerbsorientierten Reformen. Die getroffenen Beschlüsse garantieren ebenso wie in der Rentenversicherung die regelwidrige Rentenerhöhung Beitragssteigerungen. Neue Teilsubventionierungen der Sozialabgaben für niedrige Erwerbseinkommen ab 800 Euro im Monat – wie der „Bonus für Arbeit“ -Vorschlag der SPD es vorsieht – sind unsystematisch. Sie setzen falsche Anreize und bergen die Gefahr, die Finanzierungsbasis der Sozialversicherung zu erodieren.

In einer glaubwürdigen Perspektive für eine Steuerreform liegt hingegen auch die Chance für den Finanzminister, sich als kreativer Steuerpolitiker zu profilieren. Die jüngste Steuerschätzung bietet trotz der etwas geringeren Aufkommensprognosen kein Gegenargument. Die Ausgabenseite leistet das nur, wenn man die fehlende Kraft für eine gestaltende Aufgaben- und Ausgabenpolitik offenbaren will.

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