Die Politik weckt überzogene Erwartungen an die Gesellschaft und verliert dabei Maß und Mitte.
Die Grenzen der Gemeinschaft
Derzeit überraschen uns immer wieder Vorschläge aus der Politik, die man, mit gesundem Menschenverstand beurteilt, allenfalls als folkloristischen Beitrag zu unserer medialen Welt sehen kann.
Nichts ist mehr undenkbar: Die Pläne der SPD, durch Obergrenzen für die steuerliche Abzugsfähigkeit die Managergehälter zu deckein, zählen dazu. Eine Arbeitsgruppe hat getagt, und deren Ergebnis verleiht lediglich der Angst vor der Linken programmatischen Ausdruck. So fügt sich der Höchstlohn nahtlos zum Mindestlohn.
Beides ist hinlänglich von Ökonomen als Belastung für Arbeit und Einkommen am Standort Deutschland bewertet worden. Die anvisierte Höchstgrenze für Managergehälter verstößt dabei nicht nur gegen das marktwirtschaftliche Prinzip der freien Preisbildung, sondern ebenso gegen den steuersystematischen Grundsatz, Einkommen nur einmal zu besteuern. Zudem erhebt man den Anspruch, Einkommen nach ihrer Quelle moralisch gutheißen oder diskreditieren zu können. Millionengehälter von Fußballstars und Kultursternchen sind gut, die von Managern schlecht.
Man kann die offensichtliche Fragwürdigkeit dieses neuen Vorschlags argumentativ belegen. Man mag auch darauf verweisen, dass Unternehmensführung für Wertschöpfung und Beschäftigung steht. Es lässt sich nachweisen, wie sehr bei Managern ein internationaler Wettbewerb um knappe Fähigkeiten wirkt – all das wird wenig nützen. Die Linke wird ihren Tribut fordern, der Bundesfinanzminister sieht die vermeintlich winkenden Steuermehreinnahmen.
Es lohnt sich deshalb, einmal nach der inneren Logik der politisch wie öffentlich geführten Verteilungsdebatte zu fahnden. Das Gemeinsame an Mindestlohn und Höchstlohn ist eine politische Grenzziehung. Sie soll darüber entscheiden, wer als Unternehmer zur Gemeinschaft der Guten gehört. So entwickelt die Politik nicht lediglich Vorstellungen über die Preisbildung, sie definiert zugleich die Grenzen der Gemeinschaft: Wer anders handelt, erhält das Etikett, außerhalb der Gesellschaft zu stehen. Politik reagiert damit auf zweifellos existierende Fehlentwicklungen wie den vereinzelten Befund sittenwidriger Löhne und auf Ratlosigkeit wie bei der Frage nach dem gerechten Lohn.
Der als unbefriedigend erscheinenden Sachlage wird die gute Gesinnung der Gemeinschaft gegenübergestellt. Helmuth Plessner, einer der prägenden Philosophen und Soziologen des 20. Jahrhunderts, hat vor über 80 Jahren die "Grenzen der Gemeinschaft" zum Thema gemacht. Er hat davor gewarnt, aus Gesinnung eine überdehnte, gar utopische Erwartung an die Gemeinschaft abzuleiten, wie die, den Himmel auf Erden schaffen zu wollen. Viel bedeutsamer erschien ihm die Suche nach Maß und Mitte, er sah darin das höchste Ziel des menschlichen Strebens.
Maß und Mitte kann man wohlmeinend auch als tieferen Sinn der verteilungspolitischen Debatte sehen. Die Tatsache, dass unabhängig von Fakten Vorurteile die öffentlichen Stellungnahmen prägen, spricht dafür, dass ein allgemeines Unwohlsein sich breitgemacht hat. Selbst in den Hauptnachrichten der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten wird über Altersarmut berichtet, als wäre sie ein akutes Problem der Gegenwart. Dabei verdeutlichen die Daten, dass das Gegenteil richtig ist. In gleicher Weise dramatisiert man den Anstieg geringfügiger Beschäftigung, obgleich er vor allem den Aufschwung am Arbeitsmarkt reflektiert.
Die Gesellschaft scheint auf der etwas verzweifelten Suche nach ihrer Mitte, sie sehnt sich nach einer Gemeinschaft in Gerechtigkeit. Die Marktwirtschaft kann diesen Wunsch nur durch Chancengerechtigkeit und durch Leistungsgerechtigkeit in wettbewerbsintensiven Märkten bedienen. Maß und Mitte als Verhaltensmustern nähert man sich nicht durch Grenzziehungen bei den Gehältern. Maß und Mitte realisiert man viel umfassender und grundlegender zugleich, wenn man Kompetenz und Verantwortung zwingend verbindet und konsequent die Haftungeinfordert.
Freilich muss man bereit sein zu akzeptieren, dass zur Lebenswirklichkeit auf Erden nun einmal auch Gauner gehören. Die marktwirtschaftliche Ordnung fragt im Prinzip nicht nach den Motiven der Akteure, es kommt stattdessen auf die Konsistenz der Regeln mit Blick auf die grundlegenden Prinzipien an. Dazu zählen vor allem die verlässliche Sicherung der Verfügungsrechte über Privateigentum, die Gewährleistung der Vertragsfreiheit zur unbehinderten Übertragung von Verfügungsrechten und die glaubwürdige Sanktionierung im Haftungsfall.
Freilich gilt nach Plessner auch, "dass man den Menschen kein gutes Gewissen gibt, wenn man ihnen sagt, dass sie überhaupt keines zu haben brauchen". Hier liegt das Problem der Marktwirtschaft. Sie kann zwar mit dem Auftauchen von Gaunern besser umgehen als andere Systeme, weil der Wettbewerb solches Verhalten schneller offenlegt und bestraft. Auf Gewissen und Moral des Einzelnen kann sie freilich nicht verzichten. Darüber sollte kein Zweifel aufkommen. Dafür ist jedes Mitglied der Gesellschaft gefordert, wenn es den Raum der Öffentlichkeit betritt. Auch der Unternehmer.
Doch diesem Ziel dient die Politik nicht, wenn sie über Höchstlöhne Privateigentum und Vertragsfreiheit tangiert oder wenn sie entgegen früheren Aussagen die Rentenformel zulasten künftiger Generationen manipuliert. Sie kommt ihm auch nicht näher, indem sie mit Beitragseinnahmen der Bundesagentur für Arbeit Sozialpolitik zu betreiben versucht. Einen sinnvollen Beitrag leistet die Politik auch nicht, wenn sie durch Mindestlöhne, wie im Postzustellbereich erwiesen, Arbeitsplätze und damit Chancen vernichtet. Auf Besinnung bleibt zu hoffen!
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