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Michael Hüther Gastbeitrag 5. März 2009

Die Finanzaufsicht braucht mehr Kompetenz

Neue Regeln reichen nicht, entscheidend ist die Umsetzung.

In vier Wochen treffen sich die Vertreter der G2O-Staaten zum zweiten Weltfinanzgipfel in London. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Verschiedene Kommissionen haben Vorschläge unterbreitet, die in London teilnehmenden EU-Staaten haben Eckpunkte eines gemeinsamen Verständnisses für die Reform der Finanzmarktregulierung entwickelt. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass der im vergangenen November auf dem ersten Finanzgipfel in Washington vereinbarte Themenkatalog weitgehend in konkrete Lösungen umgesetzt wird.

Kann man von einem verbesserten, in jedem Fall aber umfassenden Regelwerk für das Finanzsystem die Erwartung ableiten, dass Weltkrisen wie die derzeitige nicht mehr auftreten werden? Man sollte sich keine Illusionen machen. Jede Regel löst Anpassungsreaktionen aus und reizt dazu, sie zu umgehen. Die Menschen werden durch neue Spielregeln keine besseren, wohl aber können sie zu einem faireren Verhalten veranlasst werden. Das erfordert einfache und nachvollziehbare Regeln, vor allem eine scharfe Sanktion beim Regelverstoß.

Da die spezifischen Regelwerke für die Finanzmärkte und ihre Akteure keine strafrechtliche Bewandtnis haben, bedarf es einer besonderen Aufsicht. Nur so kann die Einhaltung der Regeln effektiv geprüft und eingefordert werden. Die Finanzaufsicht hat – wie die Banken und die Ökonomen auch- mit dieser Krise ihr Waterloo erlebt. Die angestrebte Krisenprävention hat nicht funktioniert, weltweit haben die Aufsichtsbehörden die Potenziale des Unheils verkannt. Wer nach neuen Regeln sucht, der muss deshalb zugleich deren Umsetzbarkeit durch die Aufsicht beachten.

In Deutschland hat sich politisch die Kritik an der Aufteilung der Beaufsichtigung zwischen Bundesbank und BaFin festgemacht. Daran hat es jedoch nicht gelegen, wie ein Anfang der Woche veröffentlichtes Gutachten des IW Köln für das Bundesfinanzministerium zeigt. Zwar klagen die Banken gelegentlich darüber, dass nicht klar sei, an wen man sich bei aufsichtsrechtlichen Fragen und Einschätzungen zu wenden habe. Doch das lässt sich klären. Die Aufsichtsrichtlinie ist in der Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen beiden Häusern ansonsten eindeutig.

Entscheidend sind Kompetenzausstattung und Analyseperspektive der Aufsicht. Denn nach dem zweiten Baseler Abkommen ist die Eigenkapitalunterlegung stärker an der individuellen Risikosituation einer Bank zu orientieren, beispielsweise durch genau auf den einzelnen Kredit zugeschnittene Risikogewichte. So muss die Aufsicht bei der Analyse und der Beurteilung der Risiken einer Bank viel mehr ins Detail gehen als bisher. Je mehr sie dabei von den Informationen der Bank abhängt, umso größer sind die Anreiz- und Kontrollprobleme, die sich ergeben.

Banken nutzen alle Möglichkeiten, für ihre Geschäfte teures Eigenkapital zu sparen. Dies gelingt durch die Ausnutzung von Ermessensspielräumen in der Zuweisung einer Anlage zum Handelsbuch oder zum Bankbuch. Ersteres verringert die geforderte Eigenkapitalunterlegung. So ist es nicht verwunderlich, dass die Banken ihre Anlagen in hypothekengesicherten Wertpapieren dem Handelsbuch zugeordnet hatten. Ökonomisch ergibt der Ermessensspielraum keinen Sinn. Im Gegenteil, er hat dazu beigetragen, dass das Eigenkapital bezogen auf die Aktiva viel zu gering war.

Die Bankenaufsicht hat dieses Problem der Regulierungsarbitrage nicht genügend adressiert. Als Schwachstelle hat sich ferner erwiesen, dass die Aufsicht die durch Basel II den Banken offerierte Möglichkeit, mit eigenen Risikomodellen zu arbeiten, nicht durch entsprechende Modell- und Methodenkompetenz beantwortet hat. Sie war vielfach ausgeliefert. Die Stärkung dieser Kernkompetenz ist dringlich. Hier könnte eine externe wissenschaftliche Kommission – analog der Monopolkommission – die Transparenz und Unabhängigkeit der Aufsicht erhöhen.

Ein starkes Defizit ist die Einzelinstitutsorientierung und damit die Vernachlässigung von systemischen Zusammenhängen. Eine Bank mag für sich betrachtet alle Auflagen erfüllen, doch ein Risiko kann auch aus der Parallelität der Geschäftsstrategien mehrerer systemrelevanter Banken resultieren. Bei allen Problemen, die damit verbunden sind, muss es der Bankaufsicht künftig gelingen, systemische Risiken besser zu erkennen. Das setzt eine Verbesserung der Datenlage, auch eine kritischere Würdigung von Risikostrategien und mehr Forschungsarbeit voraus. Geben wir der Aufsicht die notwendige Ausstattung und Unabhängigkeit!

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