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Michael Hüther Gastbeitrag 5. Februar 2009

Die Elite spielt den Blues

Politiker und Unternehmer sollten sich gerade in der Krise wieder auf ihre Verantwortung und klare Grundsätze besinnen.

Das Weltwirtschaftsforum von Davos ist vorbei, und von dem Treffen ist nicht viel mehr als ein Stimmungsbild der Wirtschaftselite übrig geblieben: Trübsinn dominiert, freudige Bereitschaft zur Verantwortung gerade in schwierigen Zeiten ist kaum zu finden. Die globale Krise an den Finanzmärkten und die ebenso globale Rezession lassen keinen Raum zu differenzierter Stimmung: Der Blues wird überall gespielt.

Alle Hoffnungen sind deshalb auf die Politik gerichtet Das Erleben staatlicher Handlungsfähigkeit hat nicht nur das Selbstbewußtsein der Politikerklasse enorm gestärkt, mitunter auf ebenso unbegründete wie unerträgliche Weise. Es hat auch die Erwartungen vieler – in guten Zeiten auf eigene Rechnung tätiger – Unternehmer geweckt, nun auf multiple Hilfsangebote setzen zu können. In dieser Situation ist es von herausragender Bedeutung, dass die Regierungen der Welt bei der notwendigen Krisenbekämpfung nicht den klaren Blick für das grundsätzlich Gebotene verlieren.

Der Bundeskanzlerin ist zuzustimmen, wenn sie in Davos betont, „wir müssen in dieser Krise einen klaren Kompass haben“. Freilich wird das nur gelingen, wenn man einen solchen Kompass nicht neu suchen muss, sondern ihn als ständigen Begleiter der Wirtschaftspolitik pflegt. Dies kann nicht uneingeschränkt testiert werden.

Die ordnungspolitische Grundlinie muss sich im Konkreten manifestieren. Das gilt auch beim Bekenntnis zu einer offenen Weltwirtschaft, wie es die Kanzlerin zu Recht in Davos formuliert hatte. Denn nichts wäre schlimmer, als wenn die Krise an den Weitfinanzmärkten im Duett mit der Rezession einen Rückfall in den Protektionismus einläuten würde. Bevor man jedoch andere kritisiert, wie Frau Merkel die Amerikaner für die Subventionen an die US-Automobilindustrie, sollte man prüfen, wo zu Hause Unkraut wuchert: wie die Idee, die Investitionsfreiheit für Staatsfonds auszuhebein oder locker über Enteignungen zu spekulieren.

Ratlos lässt einen die Kanzlerin mit dem Vorschlag zurück, „einen Weltwirtschaftsrat bei den Vereinten Nationen“ einzurichten. Wer soll dort was verhandeln? Wer trägt Verantwortung? Welche Verbindlichkeit kann dort begründet werden? Ist die Analogie zum Uno-Sicherheitsrat wirklich hilfreich? Während es dort um Konfliktlösung und Deeskalation in Einzelfällen geht, erfordert die Weltwirtschaft Ordnungsaufgaben, Koordinierungen und Verfahrensregeln. Was soll ein neues Gremium bringen, wo wir doch auf durchaus bewährte Institutionen zurückgreifen können?

Der G2O-Rahmen, wie auf der Washingtoner Konferenz eingeübt und für die Londoner Folgetagung vorgesehen, ist vielversprechender. Hier können die Lehren aus der Krise gezogen werden. Manches wird erst in einem längeren Suchprozess zu klären sein. Hierzu ist die Verankerung in den 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen erforderlich. Wir brauchen keine Weltwirtschaftsregierung, wohl aber ein gemeinsames Verständnis über die Orientierungen des Miteinanders.

Wichtig auch: Der Anspruch ordnungspolitischer Konsistenz in der Krise und nach der Krise lebt von der Glaubwürdigkeit entsprechender Politik in normalen Zeiten. Ordnungspolitik kann nicht wirken, wenn sie nur im Stand-by-Modus geführt wird.

Gelegenheit zu ordnungspolitischer Klarheit bietet sich in scheinbar ruhigen Zeiten hinreichend. Meist werden dann jedoch die größten Fehler begangen – aus Bequemlichkeit, Angst vor dem Konflikt oder Selbsttäuschung über die langfristige Beständigkeit des aktuellen Erfolgs. Auch regen solche Zeiten offenbar nicht dazu an, die grundsätzliche Frage nach der Verantwortungsgrenze zwischen dem Staat und den Bürgern angemessen zu beantworten. Wann aber, wenn nicht unter solch entspannten Bedingungen, soll dies gelingen?

Die Volkswirtschaftslehre trägt allerdings einen nicht unerheblichen Anteil an der ordnungspolitischen Ratlosigkeit. Die wichtigen Entwicklungen der vergangenen zwanzig Jahre haben ohne Zweifel die Forschung nach vorne gebracht. Doch leider war damit ein Methodenabsolutismus verbunden, der kaum noch Raum für historische, auf Institutionen bezogene und ordnungspolitische Arbeiten gelassen hat.

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