Ein Kompromiss aus Gesundheitsprämie und Bürgerversicherung, wie ihn die Regierung erörtert, verspricht nichts Gutes.
Dem Unsinn so nahe
Wir alle kennen den Spruch: Gut gemeint bedeutet noch nicht auch gut gemacht. Dabei geht es in der Politik nicht ohne guten, d.h. sachlich richtigen Vorsatz. Zielführendes politisches Agieren setzt angemessen und konsistent formulierte Ziele voraus. Die Schwierigkeiten der Politik ergeben sich aus der oftmals zu groben Formulierung der Ziele und einer unzureichenden Beachtung der Tatsache, dass bei der Umsetzung Sinnvolles und Unsinniges meist sehr nahe beieinander liegen.
Dafür erhalten wir derzeit umfangreiches Anschauungsmaterial: die auf Bedürftigkeit geprüfte Einkommensergänzung als angemessener Weg für den Niedriglohnsektor, der Kombilohn als Irrweg.
Die Beteiligung der Beschäftigten am Erfolg eines Unternehmens als kluge Idee, die Kapitalbeteiligung als Irrweg. Größte Befürchtungen sind nach den ersten Verlautbarungen auch mit Blick auf die Gesundheitsreform angebracht. Sicher, es handelt sich dabei noch um ein frühes Stadium der regierungsinternen Erörterung. Doch die Erfahrung lehrt, dass man bereits in dieser Phase auf Unsinniges hinweisen muss, das ansonsten mit Beharrlichkeit den Weg in den Gesetzentwurf findet. Und dann ist es meistens zu spät.
Fangen wir beim Grundsätzlichen an. Die Reformen in der gesetzlichen Krankenversicherung haben im Kern nur eine Begründung: die durch die Finanzierungslogik zu verantwortende sachfremde Beeinflussung der Arbeitskosten. Die Antwort der Politik bestand bisher darin, die Ausgaben zu budgetieren, Leistungen zu kürzen oder aus dem Katalog der Kassen zu streichen. Diese Strategie ist unter den Steuerungsbedingungen des bestehenden Systems aber nur zeitlich begrenzt wirksam. Da die jeweils gewonnenen Atempausen immer kürzer wurden, reifte auch im politischen Bereich die Erkenntnis, dass es einer anderen, nämlich wettbewerblichen Steuerung des Gesundheitssektors bedarf.
Die bisherigen Schritte zu mehr Wettbewerb bleiben aber so lange erfolglos, wie deren Wirkung sich bei den Versicherten nicht erkennbar in unterschiedlichen Preisen für die Versorgung niederschlägt. Denn wir haben es mit zwei verkoppelten Märkten zu tun: dem für Versicherungsleistungen und dem für Gesundheitsleistungen. Für ein insgesamt effizientes System ist Wettbewerb auf beiden Märkten notwendig. Das erfordert für die Krankenkassen Gestaltungsfreiheit in den Verträgen mit einzelnen Leistungsanbietern ebenso wie die einkommensunabhängig differenzierte Festlegung der Versicherungsprämie, je nach gewünschter Versorgungsform.
Damit ist klar, dass die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom Arbeitsvertrag aus zwei Gründen dringend entkoppelt werden muss: Einerseits wird damit die Arbeitskostendynamik, die aus dem Gesundheitssystem resultiert, unterbunden, andererseits erst die unabdingbare Voraussetzung für eine wettbewerbliche Steuerung dieses Systems geschaffen. Die Entkopplung ist zugleich eine Absage an den Risikostrukturausgleich zwischen den gesetzlichen Kassen, der über die Nivellierung der Ausgaben und Einnahmen die Kostenverantwortung der Beteiligten einebnet.
In den regierungsseitigen Überlegungen zur Gesundheitsreform wird dem ersten Argument scheinbar Rechnung getragen. So wird überlegt, den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Krankenversicherung bei 6,5 Prozent einzufrieren. Doch erneut liegt der Unsinn ganz nahe, denn dabei sollen auch die Einkommen oberhalb der Bemessungsgrenze von 3 562,50 Euro im Monat berücksichtigt werden. So erhöhen sich die Arbeitskosten, Beschäftigung wird vernichtet.
Dahinter steht ein Motiv, das ohne jede Begründung von Seiten der beiden Regierungsparteien vorgetragen wird: Der medizinisch-technische Fortschritt und die Alterung der Gesellschaft machten die Mobilisierung zusätzlicher Finanzmittel notwendig. Mit anderen Worten: Das Gesundheitssystem sei unterfinanziert. Richtig ist daran nur, dass die gesetzliche Krankenversicherung vor allem ein Ausgabenproblem hat. So legten die beitragspflichtigen Einkommen je Versicherten zwar seit 1991 jährlich mit 2,5 Prozent um 0,2 Prozentpunkte pro Jahr stärker zu als das Volkseinkommen je Einwohner. Doch die Kassenausgaben je Versicherten stiegen bis heute im Jahresdurchschnitt um 3,2 Prozent.
Den medizinisch-technischen Fortschritt als Treiber für höhere Gesundheitsausgaben zu sehen ist nur für das bestehende System gerechtfertigt, nicht aber für ein wettbewerblich organisiertes. Doch in der Regierung hat sich hier wie grundsätzlich mit Blick auf die Staatstätigkeit unreflektiert die These der Unterfinanzierung festgesetzt. Die Mobilisierung zusätzlicher Einnahmen macht deshalb nicht bei den Arbeitgebern Halt, ebenso werden die Versicherten auf zusätzliche Belastungen vorbereitet – ob durch Gesundheitssoli, ergänzende Mini-Pauschale oder Ausweitung der beitragspflichtigen Einkommen.
Ein Kompromiss aus Gesundheitsprämie und Bürgerversicherung, wie er in der Regierung erörtert wird, kann nichts Gutes erbringen. Denn während die Prämie auf eine Steuerung über Wettbewerb zielt, versucht die Bürgerversicherung zusätzliches Geld für das marode System zu mobilisieren. Dass Wettbewerb kein Selbstzweck ist, wird an den enormen Beschäftigungspotenzialen deutlich, die bei effizientem Mitteleinsatz zu erwarten sind. Wer es mit dem Wettbewerb ernst meint, der muss aber den Mut für ein Prämienmodell aufbringen.
Neben dem Effizienzziel wird so auch das alle einende Umverteilungsziel erfüllt. Denn eine Verlagerung der Einkommensumverteilung in die Besteuerung vermeidet die regressiven Wirkungen der Beitragsbemessungsgrenze und bezieht die privat Versicherten in den Solidarausgleich ein.
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