Die frühkindliche Förderung und die Senkung der Unternehmensteuer sind investive Staatsausgaben.
Beton ohne Nutzwert
Ein Finanzminister, zumal des Bundes, hat es nie leicht. Immer sieht er sich widerstreitenden Interessen gegenüber, stets läuft er Gefahr, alle Ressorts gegen sich aufzubringen. Und erst recht in der Öffentlichkeit muss er bei jeder Aktion mit viel Ablehnung rechnen. Das erfährt auch der amtierende Minister. Die Etatkonsolidierung, die ausgabenseitig ohnehin viel zu wenig unterlegt ist und vor allem über Steuererhöhungen betrieben wurde, steht, obwohl erst am Anfang, schon wieder von vielen Seiten unter Druck. Da verbünden sich jene, die solche Anstrengungen ohnehin für kontraproduktiv halten, mit anderen, die jetzt besondere Wünsche vortragen.
In solchen Diskussionen ist es gut, wenn man eine klare Linie fährt. Der Bezug auf eine Regel erhöht den Erklärungsbedarf derjenigen, die neue Ansprüche an die Staatsfinanzen stellen, und mindert den Rechtfertigungsdruck des Finanzministers, wenn er den Konsolidierungskurs nicht gefährden will. Der Minister selbst bekundet seit seinem Amtsantritt, dass es um eine Stärkung der investiven Ausgaben gehen müsse. Dass dies gleichzeitig die Überprüfung der konsumtiven Staatsausgaben erfordert, wird meist weniger deutlich vorgetragen.
Was aber sind investive Ausgaben des Staates? Daran scheiden sich die Geister. So werden traditionell nur Beton und Asphalt als investiv bewertet. Infrastrukturvorleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden sind für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes ohne Zweifel von großer Bedeutung. Denn sie fördern die Arbeitsteilung und ergänzen private Investitionen. Doch wir wissen auch: Viel Beton ist schon vergossen worden, ohne jemals Nutzwert für die Gesellschaft abzuwerfen. Da wir die Infrastrukturplanung vor allem als hoheitlichen Vorgang organisieren, fehlen uns die Steuerungsimpulse der Nachfrageseite. Deshalb sind Effizienzverluste kaum zu vermeiden.
An der aktuellen Debatte auf zwei Politikfeldern lässt sich verdeutlichen, wie der Begriff "investive Staatsausgaben" auch gedeutet werden kann: an der frühkindlichen Förderung und an der Reform der Unternehmensteuer. Öffentlich wird jeweils so getan, als ginge es um Geschenke: an die Mütter, die besser zu Hause bleiben würden, und an die Unternehmen, denen es ohnehin schon (zu) gut gehe. Nicht selten vereint diese Positionen eine naive Forderung: Kinder und Standortbindung als patriotische Pflicht. Doch im Ernst: Ökonomisch gesehen geht es jeweils um Investitionen. Deren Nachteil im Vergleich zu Beton besteht scheinbar in der weniger eindeutigen Wirkung.
Entsprechend wird öffentlich diskutiert. Da werden die Unternehmensteuerpläne der Bundesregierung, die wegen einer Vielzahl von Detailregelungen zu Recht in der Fachkritik stehen, hinsichtlich ihrer Nettoentlastung von linken Kreisen als Begünstigung der Unternehmen bewertet. Da werden die Pläne zum Ausbau frühkindlicher Förderung, wie sie die Bundesfamilienministerin vorträgt, von konservativen Kreisen als Beitrag zum Berufszwang für Mütter gedeutet. Man erkennt: Für ökonomische Vernunft muss man an vielen Fronten argumentieren.
Warum ist frühkindliche Förderung eine Investition? Sie kann es in dem Maß sein, als dadurch Kinder früher als bisher die Chance erhalten, Basiskompetenzen zu erwerben. In einer Studie für das Bildungsnetzwerk Wissensfabrik hat das Institut der deutschen Wirtschaft die fiskalischen und volkswirtschaftlichen Renditen solcher Anstrengungen ermittelt. Infolge der früher und umfassender ab dem vierten Geburtstag beginnenden Bildung erreichen die Kinder, so zeigt die Auswertung der Pisa-Daten, nachfolgend durchgehend ein höheres Kompetenzniveau. Die Bildungsarmut – in Form eines Mangels an Basiskompetenzen beim Lesen und Rechnen – sinkt.
Auf Grund solcher Bildungsausgaben erhöhen sich die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung und damit die Steuerbasis. Langfristig erbringen sie für den Staat eine Rendite von acht Prozent. Dies ist eine gute Investition. Ähnliches gilt für eine Reform der Unternehmensteuer, die wettbewerbsfähige Steuersätze bringt und die Investitionen der Unternehmen steuerlich angemessen behandelt. Jede Reduzierung von Unternehmenssteuern ist schon grundsätzlich kein Geschenk, weil diese Steuern immer nur als Vorauszahlung auf jene Steuern zu verstehen sind, die letztlich die Anteilseigner zu tragen haben. Man kann sogar die Legitimation einer Besteuerung von Unternehmenserträgen kritisch sehen, zumal dadurch vor allem die Investitionen belastet werden.
Die vom Bundeskabinett beschlossene Reform trägt den Notwendigkeiten nicht Rechnung. Das gilt für die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen, die Zinsschranke und manch anderes. Dennoch ist mit Blick auf die Absenkung der Steuersätze die Erwartung gut begründet, dass sich die wirtschaftliche Dynamik dadurch erhöhen wird. Wie eine Studie des Kölner Finanzwissenschaftlers Clemens Fuest zeigt, hat die Steuerreform 2000 tatsächlich einen positiven Effekt auf die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland gezeitigt.
Gegen diese Argumentation, ob bei frühkindlicher Förderung oder Unternehmensteuerreform, wird eingewandt, dass die Wirkungen unsicher und in ihrem Ausmaß fraglich seien. Dies gilt aber für jede öffentliche Ausgabe, und zwar auch dann, wenn es um Beton und Asphalt geht. Wichtig ist aber, dass es sich in jedem Fall lohnt, bei der Gestaltung der Staatsausgaben den investiven Anteil – breit verstanden – zu stärken. Dies muss angesichts der Gesamtlage, wie durch Zins-Steuer-Quote und Schuldenstandsquote erfasst, aber durch Einschränkung bei den konsumtiven Ausgaben erfolgen. Eine Finanzpolitik der Investitionen bedarf der Standhaftigkeit.
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