Die Regierung muss zur Bewältigung der großen Aufgaben mehr Handlungskompetenz beweisen. In Meseberg wurde der Anfang gemacht.
Berlin muss mehr als nur Allgemeinplätze liefern
Diese Wocne hatte sich die Bundesregierung zur Klausur auf Schloss Meseberg zurückgezogen. Schon immer war es von Zeit zu Zeit ratsam, sich den Fragen jenseits des Tagesgeschäfts außerhalb der Routine zu widmen. Die Klausurtagung der neuen Regierung erwies sich jedoch als besonders dringlich. Denn Koalitionsvertrag und Regierungserklärung haben mehr Fragen produziert als Antworten geliefert. Die Erwartungen richten sich darauf, dass das programmatische Vakuum gefüllt wird.
Die Notwendigkeit dafür ist einfach erklärt: Die schwere wirtschaftliche Krise, an der wir trotz begonnener Erholung noch länger laborieren werden, war in ihrer Eskalation mit einem massiven Bruch von Kontinuitäten und einer ebenso umfassenden Entwertung von Erfahrungen verbunden. Die Stärkung der wirtschaftlichen Entwicklung hin zu einem wirklichen Aufschwung hängt deshalb ganz erheblich davon ab, dass die Politik mittelfristig bedeutsame Rahmenbedingungen klärt und dadurch die Erwartungen der privaten Akteure stabilisiert.
Dies setzt freilich voraus, dass die Regierung ihren Handlungsspielraum auch erkennt. Die Aussage, man müsse aufsieht fahren, war während der Zuspitzung der Krise vom Oktober 2008 bis Jahresmitte 2009 gut begründbar. Seitdem aber lichtet sich bei allen Unwägbarkeiten der Nebel. Die wirtschaftliche Erholung hat global parallel über die Industrie begonnen und vermag dadurch – mühsam zwar – an Eigenkraft zu gewinnen. Wenngleich im kommenden Jahr die Geldpolitik und die Finanzpolitik auf passivem Stützungskurs bleiben müssen, so müssen wir doch den Umstieg vom Krisenmodus auf den Normalmodus vorbereiten.
Vor allem aber sollten nun die Fragen langfristiger Wachstumsvorsorge in den Mittelpunkt der politischen Debatte rücken. Von einer neuen Regierung können wir dafür mehr als nur Allgemeinplätze erwarten. Der Koalitionsvertrag lässt indes nicht erkennen, dass die Dimension der anstehenden Fragen wirklich erkannt, geschweige denn adressiert wird. Natürlich finden sich zum Klimawandel bedeutsame Sätze, doch zu den ebenso lebenswichtigen Fragen des demografischen Wandels sowie der Sicherung der Ressourcenverfügbarkeit sucht man vergeblich Orientierung.
Nun könnte man sich länger dabei aufhalten, die dürre Abhandlung der Alterung und Schrumpfung unserer Bevölkerung unter der Überschrift „Senioren” als völlig verfehlt zu bezeichnen. Was jedoch noch mehr irritiert, ist der scharfe Kontrast zu der seit der Regierungserklärung sich verstärkenden Intonation einer bedrohlichen Dimension der Krise, „die das Land endlich begreifen muss”. Es bleibt unerklärt, was ein solcher Erkenntnisprozess bewirken soll. Soll weniger konsumiert und mehr gespart werden? Oder soll nur die Schwelle für jene Erwartungen gesenkt werden, die wir an die Regierung richten dürfen?
Politik ist immer gut beraten, sich nicht auf extreme Einschätzungen der Lage und der Perspektiven einzulassen, sondern sachlich distanziert die Probleme zu bewerten. Nur dann kann man die Dimension der gestalterischen Herausforderungen wirklich erfassen.
Bezogen auf die genannten drei großen Themen der Wachstumsvorsorge – demografischer Wandel, Ressourcenverfügbarkeit und Klimawandel -, müssen heute Entscheidungen gefällt werden, deren Wirkungen sich erst auf mittlere Sicht, in jedem Fall weit nach dem Ende dieser Legislaturperiode zeigen.
Die Schwierigkeiten verantwortlicher Politikgestaltung liegen jedoch nicht nur in der mangelnden Zeitkonsistenz von Handlung und Wirkung, sondern noch mehr darin, dass wir für keines der Themen die angemessene Steuerungsstruktur haben. So erfordert der demografische Wandel eine andere Betrachtung der Lebenslagen im Lebensverlauf. Es müssen unterschiedliche Politikfelder – vor allem Familie, Zuwanderung, Integration, Bildung, Arbeitswelt, Alterssicherung, Gesundheit, Pflege – ganzheitlich und konsistent betrieben werden. Die starke regionale Differenzierung der Bevölkerungsentwicklung begründet Zweifel daran, ob die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse noch einigermaßen realistisch ein Ziel der Politik sein kann.
Diese Hinweise, die sich ähnlich für die anderen großen Fragen der Wohlstandssicherung anfügen lassen, machen deutlich, wodurch wir selbst bei rein nationaler Verantwortung gefordert sind: die Entwicklung einer Steuerungskompetenz, die alle bestehenden Ressortabgrenzungen und alle föderalen Zuständigkeitsregelungen in frage stellt. Die Lösung von Problemen setzt eine Handlungskompetenz voraus, die nicht selbstverständlich ist. Eine Regierungsklausur wie diese Woche in Meseberg könnte dafür ein wichtiger Auftakt sein.
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