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(© Foto: iStock)
Ralph Henger in Immobilien & Finanzierung Gastbeitrag 15. Januar 2019

Reformmodelle der Grundsteuer: Das beste Modell wird nicht bedacht

Finanzminister Olaf Scholz hat Ende November 2018 seine Überlegungen zur Grundsteuerreform vorgestellt. IW-Immobilienökonom Ralph Henger erläutert in einem Gastbeitrag die Nachteile dieser Reformmodelle und fordert eine Reform, die Antworten auf aktuelle Probleme in den Immobilienmärkten liefert.

Ziel ist eine verfassungskonforme und sozial gerechte Reform, mit der das Grundsteueraufkommen von aktuell rund 14 Milliarden Euro konstant bleibt. Die Überlegungen enthalten zwei mögliche Reformmodelle, die in die anstehende Diskussion mit den Ländern eingebracht werden sollen. Beide Modelle haben jedoch erhebliche Nachteile und beinhalten eine Vielzahl von Problemen. Besonders kritisch: Das beste Modell wird aus Angst vor zu großen Veränderungen nicht in die Diskussion gebracht. Hiermit verpasst der Finanzminister die historisch einmalige Chance auf eine investitionsfreundliche, sozial ausgewogene und praktikable Grundsteuer. Schließlich hat das Verfassungsgericht im April 2018 einen strikten Fahrplan vorgegeben: Bis Ende 2019 muss ein neues Gesetz verabschiedet sein und bis Ende 2024 muss das neue Gesetz umgesetzt sein. 
Die Arbeitspapiere des Finanzministeriums enthalten ein wertunabhängiges und ein wertabhängiges Modell. Das wertunabhängige Modell entspricht der sogenannten Flächensteuer oder dem ehemaligen Südmodell, das beispielsweise Bayern seit Jahren fordert. Die Idee: Alle Immobilien werden alleine nach Grundstücks- und Gebäudefläche besteuert, unabhängig davon, ob sie in München am Marienplatz oder am Münchner Ortsrand stehen. Scholz bringt das Modell in die Diskussion mit ein – macht jedoch in seinen Ausführungen deutlich, dass der Vorschlag weder sozial gerecht noch verfassungskonform ist. Das Modell ist schlicht zu einfach, sodass Ungleiches gleich hoch besteuert wird. In den vergangenen Monaten wurden hierzu von Verbänden und auch Forschungsinstituten unrealistische Modellrechnungen präsentiert. 

Unrealistische Rechnungen 

Die Rechnungen behaupteten, dass eine Flächensteuer zu keinen spürbaren Mehrbelastungen für Eigentümer und Mieter führt. Hierbei wurde aber davon ausgegangen, dass die Hebesteuersätze der Kommunen konstant bleiben. Dies ist jedoch nicht realistisch, da die Kommunen – je nach Modell – ihre Hebesätze nach der Reform sehr wohl anpassen werden, damit ihr Aufkommen ungefähr konstant bleibt und gleichzeitig zu hohe Mehrbelastungen ihrer Bürger vermieden werden. Bei seriösen Berechnungen wird deutlich, dass eine Flächensteuer klare Verlierer als auch Gewinner hervorbringt. Dies gilt im Übrigen für alle Reformmodelle, als logische Konsequenz der jahrzehntelang verschleppten Reform. 
Dagegen ist der neue Vorschlag aus dem Finanzministerium für eine wertabhängige Grundsteuerreform gar keine richtige Reform. Er ist vielmehr eine Aktualisierung der bisherigen Systematik. Weiterhin würde die Gebäudebewertung in der Regel mit dem sogenannten Ertragswertverfahren erfolgen. Der Wert des Gebäudes bemisst sich dann an Miete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert, wobei die Miete die zentrale Größe ist. Da dieses Modell die Grundsteuer an die Mieten koppelt, birgt dieser Vorschlag eine enorme sozialpolitische Sprengkraft. Nach den Plänen des Bundesfinanzministeriums soll die tatsächliche Miete herangezogen werden, nicht mehr wie bisher das Mietniveau in einer Gemeinde.

Ein unsoziales Modell 

Das Problem dabei: In Ballungszentren sind die Mieten in guten Lagen stark gestiegen, diese Wohnungen wären am stärksten von der Reform betroffen. Das lässt sich auch nicht durch eine Absenkung der Steuermesszahl um den Faktor 10 komplett neutralisieren. Das Modell ist auch deshalb unsozial, weil es bei einer Mieterhöhung Mieter doppelt belastet: durch die Miete selbst, aber auch durch höhere Nebenkosten. Dieses Problem ließe sich lösen, indem die Betriebskostenverordnung geändert würde. So könnte verhindert werden, dass Vermieter die Grundsteuer über höhere Nebenkosten auf ihre Mieter umlegen. Nur hierdurch dürfte sich dieses Reformmodell in Zeiten steigender Mieten in den Ballungszenten auch politisch umsetzen lassen. 
Das Finanzministerium lässt diesen wichtigen Punkt bislang offen. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass zwar juristisch die Umlagefähigkeit geändert werden kann, dies jedoch nicht dazu führen muss, dass die Mieter die Grundsteuer nicht tragen. Hierüber entscheidet die Preiselastizität von Angebot und Nachfrage. In einem angespannten Wohnungsmarkt bei nicht wirkender Mietregulierung (Mietpreisbremse) können die Vermieter die Grundsteuer implizit auf die Miete aufschlagen. 
Zu Verwerfungen führt der Vorschlag für eine wertabhängige Grundsteuerreform auch, da für Selbstnutzer eine „fiktive Miete“ ermittelt werden soll. Dies hätte zur Folge, dass Wohnungen in einem Gebäude bei gleicher Größe alleine deswegen anders besteuert werden, weil sie selbst genutzt oder vermietet werden. Insgesamt ist das Modell auch zu aufwendig. So müssten viele Daten von den Finanzämtern erhoben und dann alle sieben Jahre aktualisiert werden. Zudem müssten Grundstückseigentümer zukünftig eine Steuererklärung vorlegen. Die zusätzlichen Verwaltungskosten würden also einen erheblichen Teil der Grundsteuereinnahmen schlucken. Finanzminister Scholz hat nun also ein weiteres Modell für eine wertabhängige Grundsteuer vorgelegt, das nicht überzeugt. Der größte Fehler der Strategie des Finanzministeriums besteht jedoch darin, dass es das beste Modell gar nicht in die Diskussion einbringt. Den Verantwortlichen fehlt offensichtlich der Mut für eine Reform, die Antworten auf aktuelle Probleme in den Immobilienmärkten liefert. 

Für die beste Variante fehlt der politische Mut 

Das beste Modell für eine Grundsteuer ist eine sogenannte Bodenwertsteuer. Hier wird alleine Grund und Boden und nicht die sich darauf befindenden Gebäude besteuert. Dieser Vorschlag hat zuletzt enorm an Zustimmung gewonnen. Der Verwaltungsaufwand wäre überschaubar: Mithilfe von Bodenrichtwerten lässt sich der Bodenwert schon heute bestimmen. Die unverhältnismäßig aufwendige und zeitraubende Gebäudebewertung würde wegfallen, es gäbe also weniger Bürokratie, nicht mehr. Vor allem würden Eigentümer nicht mehr bestraft, die in ein Grundstück investiert haben, so wie bei der Gebäudebewertung der Fall: Werden Gebäude mitbesteuert, führen Investitionen, insbesondere Neubau, aber auch Ausbau und Renovierung, zu einer höheren Besteuerung. 
Zudem werden Bodenspekulationen belohnt – und das wiederum führt zu einer Verknappung des Angebots, aber auch zu steigenden Bodenpreisen und Wohnungsmieten. Anders die Bodenwertsteuer: Sie verhält sich neutral gegenüber Investitionen, verteuert Spekulation und schafft Anreize für eine dichtere Bebauung. Sie ist auch sozial gerecht: Große Gebäude mit vielen Wohnungen, in denen vorrangig Mieter wohnen, würden in der Tendenz entlastet werden.

Zur Ausgabe 1/2019, Jg. 70 der Zeitschrift Immobilien & Finanzierung 

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