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Michael Hüther / Markus Demary in der Börsen-Zeitung Gastbeitrag 13. November 2020

Die EZB muss ihre Strategie besser kommunizieren

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat eine umfassende Überprüfung der geldpolitischen Strategie angekündigt, was nach 17 Jahren auch mehr als geboten ist. Dies soll, wie im Oktober begonnen, unter Einbindung gesellschaftlicher Gruppen stattfinden. Damit akzeptiert die Notenbank, dass die Kommunikation auch mit einer breiteren Öffentlichkeit jenseits der Fachdiskurse wichtig ist.

Einerseits muss sich die Geldpolitik als "unelected power" (Paul Tucker) ohne demokratische Legitimation im täglichen Tun in besonderer Weise der öffentlichen Auseinandersetzung stellen und die Kommunikation mit der Gesellschaft suchen. Andererseits beruht ihre theoretisch erwartete Wirksamkeit nicht selten darauf, dass die Kommunikation breitenwirksam ist.

Sehr technische Sprache

So setzt das Inflation Targeting darauf, dass eine Zentralbank mit ihrer Öffentlichkeit kommuniziert, um deren Inflationserwartung zu steuern. Tatsächlich kommuniziert die EZB mit dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission und über Pressekonferenzen sowie Reden vor hochrangigem Publikum. Mit der breiten Öffentlichkeit, auch nicht mit Unternehmen, die Preise und Löhne setzen, wird jedoch nicht zielgruppengerecht kommuniziert. Das beginnt schon mit der technischen Sprache (PSPP, LTRO, TLTRO, Forward Guidance usw.), die außerhalb der Finance und Research Community kaum verstanden wird.

Während die Arbeitsmarktpolitik oder die Gesundheitspolitik von der Bevölkerung gut nachvollzogen wird, gilt das nicht für die Geldpolitik. Hier wirkt sich aus, dass die finanzielle Bildung der Bevölkerung mit den Entwicklungen in der Finanzindustrie nicht mithalten konnte. Das fordert auch die Geldpolitik. Die aktuellen Befragungen der EZB zur geldpolitischen Strategie erreichen allerdings den Großteil der Bevölkerung nicht, da viele die EZB-Homepage gar nicht besuchen. Der ehemalige US-Notenbankpräsident Alan Greenspan hat die Medien sehr stark genutzt. Er war über TV-Auftritte einem Großteil der Bevölkerung bekannt, wenngleich er oftmals nicht verstanden wurde. Es wäre wünschenswert, wenn aus dem Zentralbankrat kontinuierlich, vor allem in den populären Medienformaten, der Austausch gesucht würde.

Damit zeigt sich die Spannweite der Herausforderungen für die Strategieüberprüfung. Dabei sind unabhängig von den kommunikativen Schwierigkeiten, zunehmend komplexere Sachverhalte zu würdigen. Das Verfehlen des Inflationsziels in vielen Währungsräumen in der vergangenen Dekade reflektiert die Tatsache, dass das Inflation Targeting - anders als bei seiner Einführung, als es die Inflationsraten in den Industrieländern glaubhaft reduzierte - die Inflationsraten aber nicht glaubhaft erhöhen kann, wenn das Bankensystem und die Unternehmen anhaltend in einer Bilanzrezession stecken. Die 2-Prozent-Obergrenze scheint glaubhaft zu sein, nicht aber das 2-Prozent-Punktziel.

Problem Inflationsmessung

Die Fed stellte auf das Average Inflation Targeting um, nachdem über eine längere Phase niedriger Inflationsraten der Preisniveau-Anstieg weit und nachhaltig unter dem 2%-Inflationsniveau lag. Aber es bleibt dabei, dass die Steuerung der Inflationserwartungen nicht greift, wenn man bei deren Messung nur die Finanzmarktexperten befragt. Diese denken häufig im Rahmen des Inflation-Targeting-Modells, Unternehmen und private Haushalte bilden ihre Inflationserwartungen möglicherweise anders. Und ein Großteil der Bevölkerung versteht die technischen Details zum Inflationsziel (unter, aber nahe 2 %, symmetrisch 2 %, durchschnittlich 2 %) vermutlich nicht. So wird die Umstellung auf Average Inflation Targeting öffentlich nur als Rechtfertigung für eine längere expansive Geldpolitik interpretiert.

Eine angemessene Vermittlung in der Öffentlichkeit wird umso schwieriger, wenn zeitgeistkonform die Geldpolitik mit sachfremden Kriterien überformt wird. So wichtig der Green Deal ist, so wenig kann die Geldpolitik zur Umsetzung beitragen. Zwar darf die EZB die allgemeine Wirtschaftspolitik unterstützen, sie muss aber auch marktneutral sein. Beim Ankauf von Wertpapieren ist die Beachtung von Klimaneutralität deshalb schon schwierig. Sofern "x Prozent" des Anleihemarktes aus Green Bonds besteht, kann die EZB auch "x Prozent" ihrer geldpolitischen Wertpapierkäufe in Green Bonds tätigen, ohne gegen die Marktneutralität zu verstoßen. Das wäre nicht mehr der Fall, sollte die EZB aber bei ihren geldpolitischen Operationen von dem Schwellenwert "x Prozent" abweichen.

Klimarisiken werden für die Finanzwirtschaft aber zunehmend relevanter. Die Ratingagenturen berücksichtigen Klimarisiken in ihren Ratings und zunehmend Ratingherabstufungen aufgrund von Wetter-Risiken (z.B. Einschränkungen im Transport wegen Niedrigwasser, Herunterfahren von Kraftwerken wegen höherer Flusstemperaturen, etc.). Wenn die Bonität der Unternehmen durch Klimarisiken sinkt und damit Kreditrisiken steigen, dann muss die EZB dies auch in ihrem Collateral Framework adressieren.

Grenzen der Notenbank

So vermag die EZB den allgemeinen Trend zu Sustainable Finance durchaus zu begleiten; dies muss sie sogar in ihrer Rolle als Aufseherin (wenn z.B. Kreditrisiken aus grünen Projekten unterschätzt werden). Zudem kann ein verändertes Anlageverhalten den Transmissionsprozess beeinflussen, was für die EZB relevant wäre. Das kann sie aber von einer beobachtenden und reagierenden Position aus. Es ist aber nicht Aufgabe einer Zentralbank, einen Strukturwandel zu unterstützen. Das ist die Aufgabe von Förderbanken.

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