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(© Foto: iStock)
Michael Grömling auf Focus Online Gastbeitrag 23. Mai 2018

Streit um Protektionismus: Ohne die Exportstärke anderer Länder hätten die USA ein gewaltiges Problem

Exporte aus Deutschland und anderen Ländern will US-Präsident Trump nicht mehr so einfach hinnehmen. Investitionen aus dem Ausland hingegen fördert er. Was Trump dabei nicht bedenkt: Das eine geht nicht ohne das andere, schreibt Michael Grömling, Leiter der Forschungsgruppe Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Deutschland exportiert mehr Waren und Dienstleistungen als es von anderen Ländern importiert – und erzielte somit 2017 einen Leistungsbilanzüberschuss von rund 263 Milliarden Euro. In den USA ist das umgekehrt: Die amerikanischen Importe übersteigen die Exporte erheblich und im vergangenen Jahr belief sich das resultierende Leistungsbilanzdefizit auf rund 413 Milliarden Euro. Im direkten Vergleich mit den USA hatte Deutschland im Jahr 2017 einen Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von rund 52 Milliarden Euro.

Dieser notorisch hohe Überschuss der Deutschen und das eigene Defizit sind für den US-Präsidenten ein Ärgernis. Aus seiner Sicht ist es nicht hinnehmbar, dass Deutsche und andere Länder auf Kosten der Amerikaner leben. Und so wettert er regelmäßig gegen die großen Exportnationen – und droht ihnen mit Protektionismus.

Die Güter aus dem Ausland will Trump nicht, das Geld schon

Auf der anderen Seite unternimmt Trump mit seiner Steuerreform und der Deregulierung auf den Finanzmärkten sogar vieles, um Kapital in die USA zu locken. Dem Kapital öffnet er die Grenzen, für Waren und Dienstleistungen will er die Grenzen schließen. Die USA brauchen dieses internationale Geld dringend – allerdings nicht nur für Investitionen, wie Trump tönt. Sie brauchen es vor allem, weil der amerikanische Staat weit über seine Verhältnisse lebt. Die Steuern reichen längst nicht aus, um die Staatsausgaben zu finanzieren. Voraussichtlich weist der US-Staatshaushalt in diesem Jahr ein Defizit von über 800 Milliarden US-Dollar auf. Das ist eine gewaltige Kapitallücke, die nur durch hohe Kapitalimporte, also durch Zugriff auf ausländische Ersparnisse zu füllen ist.

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Das Geld kommt bislang aus Ländern wie Deutschland und China. Was Trump dabei verkennt: Das Geld kann nur in den USA investieren werden, weil diese Länder Exportüberschüsse erzielen – auch durch den Handel mit den USA.
Denn Kapitalexporte und Güterexporte gehören zusammen. Die alleinige Betrachtung und politische Instrumentalisierung der Leistungsbilanzen ist nur die halbe Geschichte. Die Leistungsbilanz hat nämlich ein Spiegelbild – die Kapitalbilanz. In dieser wird der grenzüberschreitende Kapitalverkehr eines Landes abgebildet. Kaufen etwa die Bürger eines Landes Staatsanleihen eines anderen Landes oder investieren Unternehmen auswärts, dann wird dies in der Kapitalbilanz als Export verbucht. Das gleiche gilt natürlich umgekehrt für die Kapitalimporte eines Landes, etwa wenn Haushalte, Staat sowie Unternehmen etwa einen Kredit bei einer Bank im Ausland aufnehmen. Übersteigen die Kapitalimporte die Kapitalexporte, dann hat das Land einen Kapitalbilanzüberschuss.

Veränderungen in der Leistungsbilanz eines Landes gehen immer mit gleichwertigen Veränderungen in der Kapitalbilanz einher. So kommt es dann auch, dass ein Land mit einem Leistungsbilanzdefizit immer einen Überschuss in der Kapitalbilanz aufweist.

Ohne Exportüberschuss ist kein Kapitalüberschuss

Das erklärt sich folgendermaßen: Importiert ein Land mehr an Waren und Diensten als es exportiert, dann übersteigt die Inlandsnachfrage die inländische Produktion. Staat, Haushalte und Unternehmen können mehr konsumieren und investieren als sie produzieren! Das Land muss dann über den internationalen Handel eine Güterlücke füllen. Gleichzeitig übersteigt die Inlandsnachfrage auch die durch die Inlandsproduktion erzielten Einkommen. Es wird mehr ausgegeben als verdient. Das Land muss also unter dem Strich Kapital importieren um eine Einkommens- oder Kapitallücke zu füllen. Wer eine Güterlücke (also ein Leistungsbilanzdefizit) hat, der hat auch eine Kapitallücke (und braucht also einen Kapitalbilanzüberschuss).

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Im Umkehrschluss haben die Länder mit einem Leistungsbilanzüberschuss nicht nur Güter, sondern auch Kapital beziehungsweise Einkommen übrig. Beides können sie anderen Ländern zur Verfügung stellen. Denn die heimische Produktion übersteigt die Inlandsnachfrage. Ebenso übertreffen die mit der Inlandsproduktion einhergehenden Einkommen, das Einkommen, welches für die heimische Nachfrage nach Konsumgütern, Investitionen und Staatsverbrauch benötigt wird. Dieses Geld kann dann jenen Ländern mit Kapitalmangel – z.B. den USA – zur Verfügung gestellt werden.

Protektionismus löst also das Problem des US-Leistungsbilanzdefizits nicht. Solange die USA immens  hohe öffentliche Haushaltsdefizite haben, wird sich an ihrer Kapitalbilanzsituation nicht groß was ändern. Damit bleibt auch das hohe Leistungsbilanzdefizit zementiert. Das amerikanische Zwillingsdefizit – also das gleichzeitige Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit – lässt sich vor allem über eine Konsolidierung des amerikanischen Staatshaushalts korrigieren. Derzeit sieht es aber nicht danach aus. Vielmehr werden in den kommenden Jahren weiter ansteigende Staatsdefizite erwartet. Die amerikanische Kapitallücke wächst – und spiegelbildlich ihre Güterlücke.

Zum Gastbeitrag auf focus.de

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