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(© Foto: iStock)
Jochen Pimpertz in der Fuldaer Zeitung Gastbeitrag 20. Januar 2020

62 Milliarden für die Lohnfortzahlung

IW-Ökonom Jochen Pimpertz mahnt in einem Gastbeitrag für die Fuldaer Zeitung angesichts steigender Kosten für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eine differenzierte Betrachtung an.

Werden Arbeitnehmer malad, dann sind nicht nur die Krankenkassen gefordert, die notwendigen Behandlungskosten zu finanzieren. Denn fällt ein Mitarbeiter aus, dann zahlt auch sein Arbeitgeber das volle Gehalt für bis zu sechs Wochen weiter. Erst danach springt seine gesetzliche Kasse mit dem niedrigeren Krankengeld ein.

Das kostet – laut Sozialbudget des Bundessozialministeriums – zuletzt 51,6 Milliarden Euro. Doch die Fachstatistiker im Ministerium können lediglich die Bruttogehälter berücksichtigen, während die Arbeitgeber auch ihren Anteil zum Sozialversicherungsbeitrag weiterzahlen. Deshalb kamen im Jahr 2018 noch einmal gut zehn Milliarden Euro oben drauf – insgesamt also knapp 62 Milliarden Euro.

Damit sind die Aufwendungen der Unternehmen für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall binnen eines Jahrzehnts nominal um fast 25 Milliarden Euro gestiegen. Fragt man nach den Ursachen, dann fällt zunächst der Anstieg beim Krankenstand ins Auge. Nach den Daten der Betriebskrankenkassen legten 2018 deren beschäftigte Mitglieder im Schnitt für 18,5 Tage ihrem Chef ein ärztliches Attest vor; zehn Jahre zuvor waren es noch fünf Tage weniger.

Sind die deutschen Arbeitnehmer also zunehmend siech und deshalb teuer? Voreilige Rückschlüsse sind hier fehl am Platz. Denn selbst bei einem unveränderten Krankenstand führen die jährlichen Gehaltssteigerungen zu höheren nominalen Aufwendungen. Und auch bei einer konstanten Fehlzeitenquote wären die Kosten mit der wachsenden Zahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gestiegen.

Hinterfragt man aber die Entwicklung des Krankenstands, dann gibt es eine Vielzahl von möglichen Erklärungen. So geht die Bevölkerungsalterung nicht spurlos an den Belegschaften vorbei. Da viele Krankheitsbilder mit zunehmendem Alter häufiger auftreten, kann sich die demografische Entwicklung auch in höheren Fehlzeiten niederschlagen.

Gleichzeitig verändern sich die Krankheitsbilder. So verursachen in zunehmendem Maße psychische Leiden hohe Ausfallzeiten. Doch auch hier bleibt eine Beurteilung ambivalent. Während auf der einen Seite oftmals ein steigender Arbeitsdruck angemahnt wird, sorgt das Arbeitsleben auf der anderen Seite auch für gesundheitsförderliche Impulse – vom positiven Einfluss der materiellen Absicherung bis hin zur sozialen Integration der Mitarbeiter.

Günstig könnte sich dagegen der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft auswirken. Doch auch hier versagen tradierte Bilder, weil zwar körperlich belastende Tätigkeit oftmals in der Industrie oder im Handwerk verortet werden. Die zunehmende Bedeutung degenerativer Erkrankungen macht aber leider nicht vor den Bürotüren halt.

Statt zu skandalisieren, gilt es zu differenzieren. Das liegt auch im ökonomischen Interesse der Sozialpartner. Denn je stärker die Kosten für die Entgeltfortzahlung ins Gewicht fallen, desto geringer fällt der Spielraum für die nächste Gehaltsrunde aus. Schließlich muss jede Lohnsteigerung unter dem Strich durch die produktive Arbeit im Betrieb verdient werden.

Was helfen kann, sind ein gutes betriebliches Gesundheitsmanagement ebenso wie gesundheitsdienliches Verhalten der Mitarbeiter. Und hier sind erhebliche Fortschritte zu würdigen, die es gleichwohl weiterzuentwickeln gilt. Doch der Erfolg verstärkter Prävention wird erst auf lange Sicht erkennbar.

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