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(© Foto: GettyImages)
Dominik Enste in der Welt Gastbeitrag 1. Januar 2021

Verbote und Gesetze?: Klimaschutz geht einfacher und günstiger

Es klafft eine Lücke zwischen dem grünen Gewissen und dem Verhalten der Deutschen. Mit Verboten wird die Politik die Verbraucher nicht umerziehen. Sie brauchen Informationen, Anreize und Innovationen, schreibt IW-Verhaltensökonom Dominik Enste in einem Gastbeitrag für die Welt.

Erst im Oktober hat das EU-Parlament beschlossen, die Klimaziele erneut zu verschärfen – die Bundesregierung muss in Sachen Klimaschutz also nachlegen. Doch die Politik setzt leider vor allem auf Verbote und Gesetze, die kreativ umgangen und kaum sanktioniert werden können. Ganz zu schweigen von der oftmals mangelnden Zielgenauigkeit.

Dabei geht Klimaschutz auch einfacher und kostengünstiger, wie uns die Verhaltensökonomik zeigt. Die Stichworte lauten: Information, Anreize und Innovation. Seit rund zwei Jahren macht Fridays for Future weltweit auf die drängenden ökologischen Herausforderungen unserer Zeit aufmerksam. Die Aktivisten haben den politischen Handlungsdruck erhöht und auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes hingewiesen – mit Erfolg. Die öffentliche Aufmerksamkeit und damit auch die verfügbaren Informationen für unsere Umwelt waren nie umfassender.

Investoren achten auf Nachhaltigkeit, und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer suchen sich bewusst Unternehmen, die verantwortungsvoll handeln. Auch die Konsumenten wünschen sich immer mehr grüne Produkte. So weit, so klimafreundlich. Doch spiegelt sich dieser Wunsch nicht im Kaufverhalten der Menschen wider.

Es klafft eine große Lücke, auch "Mind-Behavior-Gap" genannt, zwischen dem grünen Gewissen und dem tatsächlichen Verhalten. Die Verhaltensökonomik hilft Konsumenten, sich so zu verhalten, wie sie es unter Berücksichtigung ihrer langfristigen Interessen möchten. Und das Beste daran: Es kostet fast nichts.

Vorsätze zum Jahreswechsel sind bald vergessen

Um Menschen durch Aufklärung von Maßnahmen zu überzeugen, helfen keine seitenlangen und juristisch korrekt formulierten Vorgaben, sondern nur gute Kommunikation durch einfache und verständliche Sprache - das zeigen verhaltensökonomische Erkenntnisse. Gute Kommunikation bedeutet auch Identifikation, zum Beispiel, wenn die Opfer des Klimawandels konkret identifiziert werden.

Menschen wollen Opfern einer Naturkatastrophe oder des Klimawandels eher helfen, wenn diese einen Namen und ein Gesicht haben. In Verbindung mit einer Geschichte und eines konkreten Nutzens wollen die Menschen eher Probleme lösen. Voraussetzung für diese Strategie ist jedoch, dass die Regierung den Bürgerinnen und Bürgern vertraut, und Studien zeigen, dass den allermeisten Menschen mehr vertraut werden kann als gedacht.

Neben den Informationen braucht es Anreize. Die meisten Vorsätze zum Jahreswechsel sind spätestens Ende Januar vergessen. Mit kleinen Änderungen der Entscheidungsarchitektur, wie der Anpassung des Status quo, lassen sich viel bessere, nachhaltige Erfolge erzielen als mit großen Visionen und der Erwartung, dass wir uns rational verhalten.

Zwei Beispiele aus dem Alltag: Wenn jemand das Fahrrad nur aus der Garage holen kann, wenn vorher das Auto rausgefahren wurde, wird die Person weiter das Auto nehmen. Parkt sie das Fahrrad allerdings vor dem Auto, so überwindet die Person jenen Moment der Entscheidung, die langfristige Ziele überdeckt.

Blick auf den Stromverbrauch der Nachbarn

Auch einfache Daumenregeln, die im nüchternen Zustand festgelegt wurden, erleichtern die Entscheidung unter Zeitdruck oder im hungrigen, erregten, von Kauflust geprägten Zustand - zum Beispiel im Supermarkt: statt jedes Mal zu vergleichen und abzuwägen, ob Bio- oder herkömmliches Fleisch im Einkaufswagen landet, die einfache Regel festlegen, dass man immer Bio-Fleisch kauft. Wenn das Geld knapp ist, kaufe man weniger Fleisch und dafür mehr Gemüse. So lässt sich Gutes für Tiere, Klima und einen selbst tun.

Prioritäten setzen ist auch dabei enorm wichtig, denn sonst folgen Überforderung und Willensschwäche. Wer CO2 sparen möchte, sollte prüfen, wo die individuelle Klimaschädigung am größten ist und dort ansetzen, wo es am wenigsten wehtut und am meisten hilft. Besonders unsinnig ist es, mit schlechtem Gewissen im Flugzeug oder dem SUV zu sitzen. Denn das hilft niemandem und sorgt nur für Unzufriedenheit.

Viele Menschen haben ein verzerrtes Bild von sich, sie überschätzen sich: Sie halten sich für moralischer als andere Menschen und sind dann bei der Bewertung des eigenen Verhaltens weniger kritisch. Diese sozialen Vergleichsprozesse können bewusst genutzt werden, indem zum Beispiel auf der Stromrechnung ausgewiesen wird, wie viel Strom die Nachbarschaft verbraucht.

Statt dies nur einmal im Jahr vor Augen geführt zu bekommen, lässt sich dies mit einer Energieverbrauchsampel auch tagesaktuell vor Augen führen. Dank dieses spielerischen Ansatzes erfahren so schon Kinder, dass Klimaschutz auch Spaß machen kann und nicht mit schlechtem Gewissen verbunden sein muss. Heute waren wir besser als gestern - oder als die Nachbarn.

Neben diesen sanften und freiwilligen Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit muss es harte finanzielle Anreize geben, wie die ab dem neuen Jahr geltende CO2-Steuer. Für eine langfristige Veränderung bedarf es neben Informationen und Anreizen aber noch einen wichtigen Punkt: Innovationsfördernde Rahmenbedingungen müssen Unternehmen die Möglichkeit geben, umweltfreundliche Technologien zu entwickeln.

Denn nur mit Verboten, Moralisierung und an den Pranger stellen werden die Konflikte zwischen Wirtschaft und Ethik nicht überwunden.

Zum Gastbeitrag auf welt.de

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