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Axel Plünnecke in der Zeit Gastbeitrag 1. Februar 2011

Das Betreuungsgeld ist eine tückische Hilfe

Das Betreuungsgeld schmälert die Erwerbs- und Bildungschancen der Armen, schreibt IW-Bildungsökonom Axel Plünnecke in der Zeit.

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Die Regierung hat sich vorgenommen, bis zum Ende dieser Legislaturperiode eine neue Leistung einzuführen für Eltern, die Kleinkinder selbst erziehen: das Betreuungsgeld. 150 Euro pro Monat sollen an Familien mit Kindern unter drei Jahren gezahlt werden, sofern der Nachwuchs keine öffentlich finanzierten Bildungseinrichtungen besucht.

Aus ökonomischer Sicht spricht viel gegen das Projekt. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Will die Regierung das Wirtschaftswachstum stärken, sollte sie den Haushalt konsolidieren und gleichzeitig die Ausgaben stärker investiv ausrichten. Das Betreuungsgeld dient keinem dieser Ziele.

Die Kosten der Einführung wurden in einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung näher untersucht. Danach entstünden bezogen auf die aktuelle Kinderzahl und das Erwerbsverhalten der Eltern Kosten von 2,2 Milliarden Euro jährlich. Hält der Ausbau der Kinderbetreuung dagegen an und werden mehr Eltern dadurch erwerbstätig, so sinken die Kosten der Einführung auf etwa 1,7 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Befürworter des Betreuungsgeldes argumentieren, es würde den Eltern mehr Wahlfreiheit verschaffen. Schließlich werde bis 2013 die öffentliche Kinderbetreuung ausgebaut, daher müsse der Staat auch diejenigen Familien unterstützen, die von diesen Einrichtungen nicht profitieren können oder wollen. Die These einer Benachteiligung der Förderung von Familien mit nur einem berufstätigen Ernährer wird jedoch in der Studie des IW nicht bestätigt. So wird das Alleinverdienermodell bereits heute intensiv gefördert, weil der nicht erwerbstätige Teil der Familie kostenlos mitversichert werden kann. Berücksichtigt man auch das Ehegattensplitting, so zeigt sich: Alles in allem bietet der Staat mehr Leistungen an, die durch den Erwerbsverzicht von Eltern entstandene Kosten ausgleichen sollen, als Leistungen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Könnten Familien dagegen in dem Ausmaß einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wie sie es Befragungen zufolge selbst wünschen, so könnte in den kommenden Jahrzehnten der Fachkräftemangel verringert werden. Bei der Frauenerwerbstätigkeit liegt Deutschland im Vergleich mit ausgewählten OECD-Ländern nur im Mittelfeld. Das Betreuungsgeld hätte da noch negative Auswirkungen, denn die Reduzierung des Arbeitsangebots würde sich besonders bei den Müttern – und da wieder am stärksten bei Teilzeitkräften – zeigen. Insgesamt würden die Berufs- und Karrierechancen von Frauen schrumpfen.

Die Armutsgefährdung von Familien und Kindern zu reduzieren ist ein weiteres ökonomisches Ziel. Problematisch an der Einführung des Betreuungsgeldes ist, dass vor allem Mütter mit niedriger Bildung den Arbeitsmarkt verlassen dürften. Der Grund: Bei ihren relativ niedrigen Gehältern fielen die vorgesehen 150 Euro für private Kinderbetreuung stärker ins Gewicht.

Auch langfristig wirkt das Betreuungsgeld kontraproduktiv. Je länger der Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt dauert, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein zweites Familieneinkommen überhaupt nicht mehr angestrebt wird – der Wiedereinstieg wird schwieriger. Wird aber auf ein zweites Einkommen verzichtet, so steigt Quote der Armutsgefährdung um fünf Prozentpunkte an. Auch wächst die Gefahr, dass bei Trennung der Eltern die Mutter zwar wieder berufstätig sein will, aber keine passende Stelle findet.

Es gibt heute eine große Risikogruppe Jugendlicher mit sehr geringen Lesekompetenzen. Außerdem sind die Bildungserfolge der Kinder stark von ihrer sozio-ökonomischen Herkunft abhängig. Eine frühkindliche Betreuung in qualitativ hochwertigen Kindertagesstätten könnte diesen Problemen entgegenwirken. Erste Untersuchungen zeigen aber, dass durch das Betreuungsgeld gerade diejenigen Kinder von der frühen Förderung ferngehalten würden, die am stärksten davon profitieren würden.

In der Summe wäre es also kein Verlust, wenn das Betreuungsgeld bei den bevorstehenden Sparrunden gestrichen würde.

Zum Gastbeitrag auf zeit.de

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