Wenn Karlsruhe das geltende Erbschaftsrecht kippt, sollte die Politik schnell handeln, schreibt IW-Präsident Arndt Günter Kirchhoff gemeinsam mit Wilhelm von Haller von der Deutschen Bank im Handelsblatt.
Berechtigter Vorrang
Die mittelständischen Familienunternehmen sind ein Aushängeschild des Standorts Deutschland. Sie stehen für wirtschaftliche Stabilität und die Gemeinwohlorientierung unternehmerischen Handelns. Wichtig sind für Familienunternehmer nicht nur die nächsten Quartalszahlen, sondern vor allem der Wunsch, ihr Geschäft eines Tages gut aufgestellt an ihren Nachfolger zu übertragen: Wirtschaftlicher Erfolg über Generationen hinweg ist das Credo. Wirtschaftlicher Erfolg, der sich auch in Investitionen am Standort Deutschland und Millionen Arbeitsplätzen bemisst.
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet demnächst darüber, wie diese Erfolgsgeschichte weitergehen wird. Die Richter urteilen über die geltenden gesetzlichen Regeln zur Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer. Genauer gesagt geht es um die Frage, ob diese Verschonungsregeln zu weit gehen. Je nachdem, zu welchem Schluss die obersten Richter kommen, kann den Unternehmen eine deutlich höhere Belastung mit Erbschaftsteuer drohen.
Viele Familienunternehmer sehen durch das Verfahren zur Erbschaftsteuer den Unternehmenserhalt über die aktuelle Generation hinaus in Gefahr. Schließlich erleichtern die bisherigen Regeln den dauerhaften Fortbestand der oft traditionsreichen und weltbekannten Unternehmen. Das geltende Recht gleicht Nachteile aus, die Familienunternehmen gegenüber Kapitalgesellschaften im Streubesitz oder auch gegenüber kommunalen und kirchlichen Unternehmen, die gar keine Erbschaftsteuer zahlen, haben. Es trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Verschonungsregeln infolge der regelmäßigen steuerlichen Überbewertung der Familienunternehmen eine Überbesteuerung abmildern bzw. vermeiden: In vielen Fällen lassen sich Unternehmensteile nicht jederzeit, unverzüglich und zum Preis des sogenannten Verkehrswerts verkaufen.
Nach einer Umfrage des Ifo-Instituts vom Beginn dieses Jahres müssten zwei von drei Unternehmen ohne diesen Ausgleich von Nachteilen ihre Investitionen senken, mehr als ein Drittel von ihnen wäre gezwungen, Arbeitsplätze abzubauen. Knapp 40 Prozent der Unternehmen, die einen Erbschafts- oder Schenkungsfall hatten, waren der Auffassung, dass sie ohne Verschonungsabschläge bei der Steuersumme das ganze Unternehmen oder Teile hätten verkaufen müssen.
Kurz: Die Grundidee von Sonderregeln für das Betriebsvermögen dient nicht der Bereicherung weniger Vermögender, sondern dem Erhalt von Arbeitsplätzen und Investitionen in Deutschland. Die Vergünstigungen gegenüber Privatvermögen werden nur gewährt, wenn das Unternehmen über Jahre weitergeführt wird. Diese Begünstigung ist in Europa durchaus üblich. Deutliche Bewertungsabschläge auf das Vermögen von Familienunternehmern gibt es etwa in Frankreich, Italien, den Niederlanden und Großbritannien. In den Nachbarländern Österreich und Schweden wird sogar keine Erbschaftsteuer erhoben.
Wenn das Bundesverfassungsgericht die jetzigen Regelungen kippt, sollte die Politik handeln und schnell nach einer neuen, verfassungskonformen Lösung suchen: Ziel muss es auch in Zukunft sein, den Generationswechsel in den Familienunternehmen zu ermöglichen und zu erleichtern.
Arndt Günter Kirchhoff ist IW-Präsident und Vorsitzender des BDI/BDA-Mittelstandsausschusses. Wilhelm von Haller leitet das Privat- und Firmenkundengeschäft Deutschland der Deutschen Bank.
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