Neben Migration und Haushaltslöchern prägte die Energiewende die kurze Ampel-Zeit: Um Versorgung zu sichern und wettbewerbsfähiger zu werden, sind schnelle Lösungen nötig, schreibt IW-Ökonom Andreas Fischer in einem Gastbeitrag für Focus Online – jetzt und für die nächste Bundesregierung.
Die entscheidende Energie-Reform, die Deutschlands Zukunft sichern kann
Der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Aufbau einer LNG-Infrastruktur in „Deutschland-Geschwindigkeit“, die zügige Genehmigung des Wasserstoff-Kernnetzes - in den letzten Jahren hat sich bereits viel in der deutschen Energieversorgung getan. Dabei spielte der Faktor Zeit immer eine zentrale Rolle. Um unsere Klimaziele zu erreichen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen wichtige Energie- und Industrieinfrastrukturen schnell und kontinuierlich umgebaut werden. Andernfalls dürfte die geplante Transformation des Wirtschaftsstandorts scheitern.
Fehlanreize aus altem System bremsen Deutschland aus
Der Zeitdruck resultiert nicht nur aus den ehrgeizigen Klimazielen Deutschlands. Vielmehr müssen in vielen Bereichen jetzt die notwendigen Entscheidungen getroffen werden, um unsere Energieversorgung in den kommenden Jahren zu sichern und wichtige Investitionen anzustoßen. Wir befinden uns derzeit in einer Übergangsphase: Fossile Energieträger decken noch einen Großteil des Energiebedarfs, während der Anteil klimafreundlicher Energien und Prozesse stetig wächst – unsere Infrastrukturen sind jedoch noch nicht ausreichend darauf vorbereitet.
Es gibt noch Fehlanreize aus dem alten System, die reformiert werden müssen, um Investitionen in zukunftsfähige Technologien und Prozesse zu ermöglichen – die zeitnah erfolgen müssen. Zudem gibt es technische Herausforderungen, beispielsweise in der Stromversorgung.
Absicherung der Stromversorgung
Einerseits steigen die Zahlen beim Ausbau der erneuerbaren Energien erfreulicherweise – vor allem bei der Solarenergie. Andererseits sind die Netze als auch Flexibilitätsoptionen, wie Großspeicher, kurzfristig regelbare Kraftwerke oder Verbrauchsanpassungen noch nicht so weit, wie es das Stromsystem der Zukunft benötigt. Obwohl der Netzausbau mittlerweile Fahrt aufgenommen hat, spielt auch der regulatorische Rahmen eine wichtige Rolle.
Die geplante Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) soll sicherstellen, dass zukünftig auch kleinere Solaranlagen steuerungsfähig sind. Dies hilft den Netzbetreibern, ihre Netze stabil zu halten, falls die Einspeisung in einigen Stunden zu hoch sein sollte. Dadurch wird die Netzstabilität verbessert und grüner Strom besser integriert. Zudem sind weitere Änderungen geplant, um eine kosteneffizientere und netzdienlichere Einspeisung von Solaranlagen zu fördern.
Blockaden sind nicht hilfreich
Ein weiteres Beispiel ist das geplante Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG) . Es sieht Ausschreibungen für Gaskraftwerke vor, die einspringen sollen, wenn Sonne und Wind unseren Energiebedarf nicht decken können. Dies sollte im Interesse aller Beteiligten sein, unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Daher sind schnelle Beschlüsse notwendig, damit die ersten Ausschreibungen im kommenden Jahr stattfinden können. Angesichts des nahenden Kohleausstiegs brauchen wir Alternativen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Eine zukünftige Regierung wird sich weiterhin damit beschäftigen müssen, wie die Stromversorgung sicher und kosteneffizient umgebaut werden kann, beispielsweise durch den Ausbau regelbarer und perspektivisch klimaneutraler Kraftwerke über 2030 hinaus und entsprechende Anpassungen im Strommarktdesign. Wichtig ist, dass der Zubau regelbarer Kraftwerke zeitnah beginnt, um unsere Stromversorgung zu sichern.
Zudem sind alle Parteien davon überzeugt, dass die Stromkosten sinken müssen, um Unternehmen und Haushalte zu entlasten und die weitere Elektrifizierung anzureizen, sei es bei Wärmepumpen im Eigenheim oder industriellen Großanlagen. Eine Blockade der Bezuschussung der Netzentgelte in der aktuellen Situation ist daher nicht hilfreich. Und auch eine zügige Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) ist sinnvoll, da diese Anlagen einen wichtigen Teil zur Strom- und Wärmeversorgung beitragen und ihre Förderung – stand jetzt – Ende 2026 ausläuft.
Bitte keine Kehrtwende
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Planungssicherheit : Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind sich einig, dass umfangreiche Investitionen in Deutschland notwendig sind, um die Transformation zu bewältigen und den Wirtschaftsstandort zu erhalten. Dafür müssen zumindest die groben Leitplanken für die Akteure klar erkennbar sein. Wenn die Rahmenbedingungen für wichtige Investitionen in zentrale Technologien nicht klar sind, können wir auch nicht erwarten, dass diese getätigt werden.
Daher ist es wichtig, frühzeitig Klarheit zu schaffen, um diese dringend benötigten Investitionen nicht auf politischer Ebene zu blockieren. Auch nach der Wahl im kommenden Jahr sollte die Verlässlichkeit politischer Rahmenbedingungen als Grundlage für Investitionsentscheidungen nicht aus den Augen verloren werden. Weshalb sich auch bei einem Regierungswechsel in vielen Bereichen eher eine Kurskorrektur als eine komplette Kehrtwende anbietet.
Es gibt konkrete Beispiele, wie bereits vor der Wahl zentrale Weichenstellungen abgesichert werden sollten: Vorneweg gilt dies für das geplante Kohlendioxidspeicherungs- und Transportgesetz (KSpTG). Dadurch würde die kommerzielle Abscheidung, der Transport und die Speicherung von CO2 in industriellen Prozessen überhaupt erst möglich. Einige Industriebranchen, wie die Zementindustrie, werden ohne diese Technologie nicht klimaneutral produzieren können.
Ein verlässlicher regulatorischer Rahmen ist daher die Grundlage für dringende Investitionsentscheidungen an vielen deutschen Industriestandorten. Falls dieser Prozess, inklusive umfassender Abstimmungen, erst von der nächsten Regierung neu angestoßen werden müsste, würden wir kostbare Zeit verlieren und weiteres Vertrauen in die Planungssicherheit am Standort Deutschland einbüßen. Auch die zweite Runde der Klimaschutzverträge sollte wie geplant durchgeführt werden, um zeitnah wichtige Investitionen an deutschen Industriestandorten abzusichern.
Flucht nach vorne
Gerade in der aktuellen Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit lässt sich unabhängig von der Konstellation der nächsten Bundesregierung festhalten: Weitere Verzögerungen beim Umbau unserer Energieversorgung und Infrastrukturen können wir uns nicht mehr leisten.
Daher gilt es erstens, einige zentrale Maßnahmen, bei denen über die meisten Parteigrenzen hinweg Einigkeit besteht, möglichst noch vor der Wahl zu verabschieden. Denn eine neue Regierung kann in den kommenden Jahren durchaus weitere Anpassungen vornehmen. Wenn wichtige Vorhaben aber erst nach der Wahl neu erarbeitet, abgestimmt, verabschiedet und umgesetzt werden müssen, kostet dies weitere Zeit. Zweitens muss die Transformation auch unter einer neuen Bundesregierung zeitnah fortgeführt und effizient umgesetzt werden, sonst leidet der Wirtschaftsstandort Deutschland.
Auch hier kann eine neue Bundesregierung der Transformationspolitik ihren eigenen Stempel aufdrücken, indem sie beispielsweise über weniger strenge Regulierungen den Marktteilnehmern mehr Spielraum ermöglicht. Eine komplette Kehrtwende in einzelnen Bereichen statt gezielter Kurskorrekturen kostet jedoch genau das, was wir momentan nicht haben – Zeit.
Hier geht es zum Artikel auf Focus.de.
Umsetzung der EU- Batterieverordnung in Deutschland
Dieser Report setzt sich mit der Erreichbarkeit der Vorgaben der EU-Batterieverordnung in Deutschland auseinander, wenn neben den benötigten Rohstoffen für den Hochlauf der Elektromobilität auch der Zubau stationärer Batteriespeichersysteme berücksichtigt ...
IW
„Rückkehr zur Atomkraft wäre nicht sinnvoll“
Seit mehr als einem Jahr gibt es in Deutschland keine Atomkraftwerke mehr – trotzdem fordern manche, wieder in die Kernkraft einzusteigen. IW-Energieexperte Malte Küper erklärt im Interview mit der Stuttgarter Zeitung, warum viel dagegen spricht.
IW