Greenspans Nachfolger Bernanke kann eine Entmystifizierung der personalisierten Geldpolitik betreiben.
Alan allein zu Haus
Am 31. Januar endet die 18 Jahre währende Amtszeit von Alan Greenspan als Chef der US-Notenbank. Allein diese lange Zeitspanne hat ihn zu einer Legende werden lassen. Mehr als dies sind es aber das orakelhafte Steuern der Notenbankzinsen und die zweifellos eindrucksvollen Ergebnisse, die zur Legendenbildung beitrugen.
Waren die Vereinigten Staaten nach den exzessiven 70er-Jahren 1987 immer noch ein Land mit hoher Inflation, so gelang Greenspan die Rückkehr zur guten alten Zeit: Wachstum, Inflation und Arbeitslosigkeit erreichten in seiner Amtsperiode durchschnittliche Werte, ähnlich dem Niveau der 50er- und 60er-Jahre. Doch mehr noch als die Ergebnisse seiner Politik war es diese selbst, die immer wieder faszinierte: Sie gab Rätsel auf und kam scheinbar schwerelos ohne strategische Bindung daher.
Man kann angesichts der Länge der Amtszeit nicht von Zufallsergebnissen sprechen. Zudem waren die 18 Jahre durch besondere Herausforderungen geprägt. Erinnern wir uns: der "schwarze Montag" an den Börsen am 19. Oktober 1987, die Rezession ab dem Jahr 1990, das "soft landing" nach kräftigem Wachstum und steigenden Inflationserwartungen zur Mitte der 90er-Jahre.
Nach dreijähriger Phase annähernder zinspolitischer Stabilität wurde Ende 1998 auf die Russland-Asien-Krise reagiert und danach den "irrationalen Übertreibungen" der Finanzmärkte mit drastischen Zinserhöhungen entgegengearbeitet. Die letzten Jahre waren durch die Reaktion auf den 11. September 2001 und die Rückkehr zur geldpolitischen Neutralität gekennzeichnet.
Angesichts dessen ist der bevorstehende Wechsel im Amt des Notenbankchefs zu Ben Bernanke kein gewöhnlicher Vorgang, sondern von weltwirtschaftlicher Tragweite. Die von Greenspan gepflegte Personalisierung geldpolitischer Orientierung ist immer wieder auch als Gegenmodell zur deutschen Tradition konzeptionsgebundener Geldpolitik verstanden worden: Flexibilität und Modernität in den USA, Starrheit und Engstirnigkeit in Deutschland und Europa.
Allein die Bedeutung des Amtswechsels zeigt aber eine fundamentale Schwäche personalisierter, man möchte fast sagen vormoderner Politik: Wie im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation jeder Herrscherwechsel angesichts fehlender institutioneller Absicherung zum staatspolitischen Risiko wurde und die "translatio imperii" eine existenzgefährdende Herausforderung darstellte, so erweist sich nun der Übergang von Greenspan auf Bernanke als ein Risiko eigener Art. Denn in der Geldpolitik war Alan Greenspan fast immer allein zu Haus.
Die an die Person Greenspan gebundene Glaubwürdigkeit und Autorität müssen nun entweder auf den Nachfolger oder auf eine geldpolitische Konzeption übertragen werden. Beides kann nicht aus dem Stand gelingen, sondern bedarf erfahrungsprägenden Handelns oder der offenen Bindung an eine Konzeption.
Mit Ausnahme des "Inflation targeting", also der breit gestützten Inflationsprognose, gibt es dafür in den USA derzeit kaum Alternativen. Vor allem die Finanzmarktstrukturen mit ihren Auswirkungen auf die Stabilität der Geldnachfrage lassen eine Geldmengensteuerung, wie sie auch von der Fed bis in die 80er-Jahre betrieben wurde, nicht als opportun erscheinen.
Schon diese Hinweise sprechen dafür, die Geldpolitik grundsätzlich durch eine Konzeption zu fundieren. Diese definiert einen Referenzrahmen für das konkrete Handeln, reduziert den Grad der Beliebigkeit und mindert den kommunikativen Aufwand. Vor allem: Die Erwartungen an die Geldpolitik bleiben realistisch.
Dagegen versprach Greenspan, als Zauberlehrling Konjunktur und Wachstum zu steuern. Zwar hat dies angesichts flexibler Märkte und angemessener Investitionsbedingungen in den USA durchaus eine gewisse Berechtigung, es überforderte aber zugleich die Geldpolitik. In Europa mit seinen fragmentierten Kapitalmärkten, regulatorischen Hürden und dominierenden strukturellen Problemen wird dies ohnehin nicht gelingen können.
Die Europäische Zentralbank hat in ihrem jüngsten Monatsbericht die Berechenbarkeit ihrer Geldpolitik durch die Privatwirtschaft analysiert. Dahinter steht die Einsicht, dass ein hohes Maß an Vorhersagbarkeit durch geringere Zinsunsicherheit und verminderte Risikoprämien zu einer effizienteren Steuerung der Kapitalströme führt. Eine angemessene Erwartungsbildung der Privaten kann aber nur gelingen, wenn ein Verständnis über die Systematik geldpolitischer Entscheidungsfindung glaubwürdig vermittelt wird.
Die EZB weist darauf hin, dass dies nicht eine konzeptionelle Mechanik erfordere, wie es früher im Zusammenhang mit der Geldmengenorientierung der Bundesbank diskutiert wurde. Vielmehr könne eine regelmäßige Analyse der gesamtwirtschaftlichen Lage und ihres monetären Umfeldes sehr viel angemessener die Erwartungsbildung prägen. Dabei komme auch der Kommunikation eine große Bedeutung zu. Die empirischen Ergebnisse bestätigen der EZB eine gute Berechenbarkeit ihres Handelns.
So löst sich der geldpolitische Gegensatz zwischen den USA und Europa zusehends auf. Bernanke lässt eine konzeptionelle Unterlegung der Geldpolitik durch das "inflation targeting" erwarten. Er kann damit die Entmystifizierung personalisierter Geldpolitik betreiben und ihre konjunkturpolitische Überforderung beenden. Die europäische Geldpolitik steht heute dem "inflation targeting" näher als der Geldmengensteuerung und bedient sich bewusst der kommunikativen Ergänzung. Die Berechenbarkeit wird auf Dauer so am ehesten erreicht. Es ist gut, wenn der Notenbankchef in der Geldpolitik nicht allein zu Haus ist.
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