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Adriana Neligan / Theresa Eyerund IW-Kurzbericht Nr. 16 15. Februar 2017 In der kreativen Nische kommt Bio-Essen auf den Tisch

Obwohl der Appetit nach Bioprodukten in Deutschland stetig wächst, ist die Bio-Lebensmittelbranche weiterhin eine Marktnische. Zwar greifen in allen gesellschaftlichen Milieus Menschen mittlerweile zu Bioprodukten. Wahre Bio-Fans – die überwiegend bis ausschließlich so einkaufen – finden sich aber vor allem in kritisch-kreativen Milieus.

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In der kreativen Nische kommt Bio-Essen auf den Tisch
Adriana Neligan / Theresa Eyerund IW-Kurzbericht Nr. 16 15. Februar 2017

In der kreativen Nische kommt Bio-Essen auf den Tisch

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Obwohl der Appetit nach Bioprodukten in Deutschland stetig wächst, ist die Bio-Lebensmittelbranche weiterhin eine Marktnische. Zwar greifen in allen gesellschaftlichen Milieus Menschen mittlerweile zu Bioprodukten. Wahre Bio-Fans – die überwiegend bis ausschließlich so einkaufen – finden sich aber vor allem in kritisch-kreativen Milieus.

Am 15. Februar startet die Biofach, die führende Messe für Bio-Lebensmittel mit mehr als 2.500 Ausstellern. Bis zum 18. Februar werden dann den mehr als 48.000 Facheinkäufern aktuelle Bio-Trends beim Essen und Trinken aus aller Welt vorgestellt. Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln wächst in Deutschland seit Jahren kontinuierlich. In 2016 gaben deutsche Haushalte 9,5 Milliarden Euro für Bio-Lebensmittel aus; 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Insbesondere Handelsketten erweiterten hier ihr Sortiment. Auch das einheimische Angebot wächst jetzt mehr mit: Mit einem Flächenwachstum von 9 Prozent stellten in 2016 deutlich mehr Landwirte auf Ökolandbau als in den Vorjahren um (BÖLW, 2017). Bisher müssen viele Bio-Produkte importiert werden: Fast jede zweite Bio-Möhre oder Bio-Zwiebel kam in 2014/2015 aus dem Ausland; bei vielen anderen Bio-Gemüsesorten lag der Importanteil sogar noch deutlich höher (LZ, 2016). Trotzdem handelt es sich bei Bio-Lebensmitteln nach wie vor um eine Marktnische, denn der Anteil von Bio-Produkten am gesamten Lebensmittelmarkt beträgt bisher nur 5 Prozent (BÖLW, 2017).

Dass Bioprodukte nach wie vor eher Nischenprodukte sind, zeigt sich auch in Umfragen zu Konsum und Kaufbereitschaft. Bei knapp einem Fünftel kamen im Jahr 2014 Bio-Lebensmittel gar nicht in den Einkaufskorb. Zwei Fünftel griffen nur hin und wieder, 17 Prozent häufig und nur 3 Prozent immer dazu (Abbildung). Auch in der aktuelleren Studie von PWC (2017) machen die Bio-Verweigerer noch gut etwa ein Fünftel aus. Ob jemand zu konventionell erzeugten Lebensmitteln oder doch der Bio-Variante greift, hängt von soziodemografischen Kriterien ab. Der Anteil der Bio-Käufer ist beispielsweise in höheren Einkommensklassen, bei Menschen mit besserer Bildung oder bei Frauen höher (BMUB/UBA, 2015; TK, 2017). Doch auch die Ansichten und Lebenseinstellungen beeinflussen das Kaufverhalten. Das wird insbesondere bei einer Betrachtung der sozialen Milieus deutlich. Diese spiegeln Gemeinsamkeiten von Personen hinsichtlich Einkommensstruktur, Bildungshintergrund und Alter, aber auch Werteinstellungen und (politischen) Ansichten wider. Eine eigene Auswertung der Umfragedaten aus der Umweltbewusstseinsstudie 2014 zeigt klare Unterschiede.

Gehobene und traditionelle Milieus: sowohl als auch

Zu den gehobenen Milieus gehören Personen mittleren bis höheren Alters, die finanziell gut dastehen, höhere Bildungsabschlüsse haben und leistungsorientiert sind. Qualität und Effizienz sind ihnen – auch beim Konsum – wichtig. In dieser Gruppe gibt es keine ausgeprägte Präferenz für oder gegen Biokonsum. Der Großteil kauft die Produkte ab und zu. Mit 8 Prozent kauft in diesem Milieu jedoch ein höherer Anteil immer bio als im Gesamtdurchschnitt. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in der Gruppe der Traditionellen, wobei hier der Anteil der Immer-Bio-Käufer mit 4 Prozent deutlich niedriger ist. Dazu gehören hauptsächlich ältere Personen verschiedener Einkommens- und Bildungsklassen mit konservativen Lebenseinstellungen und dem Wunsch nach Konformität.

Bürgerlicher Mainstream und junge Milieus: seltener

Etwa ein Viertel der Bevölkerung gehört zum bürgerlichen Mainstream. Diese Gruppe hat mittleres bis höheres Alter sowie mittlere Bildung und Einkommen. Der Wunsch nach Sicherheit und Harmonie sowie das Kostenbewusstsein sind ausgeprägter. Der Anteil derjenigen, die immer oder häufig Bioprodukte kaufen ist hier deutlich geringer. Die Quote derjenigen, die selten oder nie bio wählen, ist etwa ebenso hoch wie der der Ab-und-zu-Käufer. Ein ähnliches Konsumverhalten zeigen die jungen Milieus, die sich oft noch in der Ausbildungsphase befinden und sich flexibel in eine komplexe und globalisierte Welt einfügen. Sie zeichnet der Wunsch nach Orientierung aus. Trotz geringer Einkommen ist der Teil derjenigen, die häufig Bioprodukte konsumieren in dieser Gruppe sogar etwas höher als im bürgerlichen Mainstream. So stellte TK (2017) aber auch fest, dass jüngere Menschen das geringste Interesse an einer gesunden Ernährung haben und in Sachen Ernährung gespalten sind: sie kaufen häufiger bio; gleichzeitig sind die Anteile derer, die oft Fertiggerichte essen, höher als in anderen Altersgruppen.

Einfache Milieus: selten bis nie

In den einfachen, prekären Milieus, die alle Altersklassen betreffen können, ist der Anteil der ausschließlich konventionell Einkaufenden mit einem Drittel am höchsten. Diese Personengruppe hat eher niedrigere Bildungsabschlüsse und Einkommen und geringe Aufstiegschancen. Zukunftsängste und Anschlussbemühungen sind hier eher gegeben als in anderen Milieus.

Kritisch-kreative Milieus: häufig

Die Gruppe, in der der höchste Personenanteil einen häufigen Konsum angibt anstelle einer Antwort aus den mittleren Kategorien sind die Kritisch-kreativen. Diese Gruppe hat tendenziell mittlere bis hohe Bildungsabschlüsse und unterschiedliche Einkommensstufen. Zugehörige sind weltoffen, unabhängig und intellektuell versiert. Häufig sind sie kulturell und gesellschaftlich engagiert. Nur 4 Prozent geben an, nie Bioprodukte zu kaufen.

Der hohe Anteil der kritisch-kreativen Biokonsumenten zeigt, dass die Lebenseinstellung und das Verantwortungsbewusstsein sich deutlich auf die Konsumgewohnheiten auswirken. Das zeigt sich auch bei den Ernährungsgewohnheiten: sie essen seltener Fleisch und häufiger Fisch und Meeresfrüchte aus nachhaltiger Fischerei als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Biokonsum ist also bei weitem noch kein Massenphänomen. Die Motive für oder gegen den Kauf liegen aber nicht nur im Preis. Die Bundesregierung (2016) möchte mit seinem „Nationalen Programm für nachhaltigen Konsum“ ökologische Produkte aus der Nische in den Mainstream befördern. Ist das Bioprodukt aber geeignet, um umweltbewussten Konsum zu fördern? In bestimmten Gruppen sind Bioprodukte sicherlich ein Ausdruck von Nachhaltigkeit und Engagement, andernorts sind sie eher ein Symbol für Lifestyle oder aber auch für Geldverschwendung.

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