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Michael Hüther / Michael Voigtländer / Heide Haas / Philipp Deschermeier IW-Analyse Nr. 101 22. Januar 2015 Die Bedeutung der Langfristfinanzierung durch Banken

Vorteile und zukünftige Herausforderungen

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Die Bedeutung der Langfristfinanzierung durch Banken
Michael Hüther / Michael Voigtländer / Heide Haas / Philipp Deschermeier IW-Analyse Nr. 101 22. Januar 2015

Die Bedeutung der Langfristfinanzierung durch Banken

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Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Vorteile und zukünftige Herausforderungen

Die  neuen  Finanzmarktregulierungen,  die  vor  dem  Hintergrund  der  Finanzmarktkrise entwickelt wurden, werden die Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe durch Banken deutlich verändern. Das wesentliche Ziel ist es dabei, die Krisenanfälligkeit des Finanzsystems zu reduzieren und künftige Interventionen der Staaten aufgrund von Insolvenzen von Banken, die sys-temisch wirken können, zu vermeiden. Dieses Ziel ist verständlich. Basel III und  auch  Solvency  II  werden  dazu  beitragen  können,  dass  Banken  und  Versicherungen in Zukunft robuster werden. Allerdings stellt sich zunehmend die Frage, ob Banken in Zukunft noch genauso leistungsfähig sind und vor allem ihre volkswirtschaftlichen Funktionen noch ausfüllen können. Insbe-sondere die Fähigkeit zur langfristigen Kreditvergabe scheint gefährdet, wie etwa das Grünbuch der EU-Kommission zur Langfristfinanzierung heraus-stellt.  Die  EU-Kommission  schlägt  daher  vor,  die  Langfristfinanzierung  künftig verstärkt auf  andere Finanzintermediäre zu verlagern, zum Beispiel Versicherungen und Fonds.Dies stellt die Ausgangslage für die folgende Analyse dar, in der vor allem drei wichtige Leitfragen im Mittelpunkt stehen:

  • Welche Bedeutung hat die Langfristfinanzierung für die Realwirtschaft?
  • Können alternative Finanzintermediäre Banken in der Langfristfinanzie-rung substituieren?
  • Wie stellt sich die Langfristfinanzierung durch Banken unter den neuen Regeln dar und welche Anpassungen müssen im Regelwerk vorgenommen werden, um die Funktionsfähigkeit der Banken zu erhalten?

In Kapitel 3 wird die Bedeutung der Langfristfinanzierung für die Real-wirtschaft beleuchtet. Die Darstellung erfolgt dabei anhand des Wohnungs-marktes, der zum einen quantitativ äußerst bedeutend ist und für den zum anderen auch genügend Daten für einen internationalen Vergleich zur Ver-fügung  stehen.  Wie  sich  zeigt,  ist  die  Finanzierung  des  Wohnungsmarktes  international sehr unterschiedlich. Während etwa in Deutschland langfristige Zinsbindungen dominieren, werden im Vereinigten Königreich die meisten Darlehen variabel verzinst. Diese Unterschiede wirken sich maßgeblich auf  die  Stabilität  der  Wohnungsmärkte  aus.  So  weisen  Märkte,  in  denen  die  Langfristfinanzierung  dominiert,  wesentlich  geringere  Preisschwankungen  auf  als andere Märkte. Ursächlich hierfür ist, dass Zinsschwankungen einen geringeren Effekt auf  die Nachfrage haben. Diese Zusammenhänge lassen sich grundsätzlich auch auf  andere Märkte übertragen, wobei etwa die Un-ternehmensfinanzierung auch innerhalb eines Landes deutlich größere Un-terschiede aufweist. Dass die Vorteile der Langfristfinanzierung hinsichtlich der makroökonomischen Stabilität nicht überall genutzt werden, hängt mit den Kosten der Langfristfinanzierung, die maßgeblich durch den regulato-rischen Rahmen und durch Größenvorteile in der Bereitstellung determiniert werden, sowie den individuellen Präferenzen zusammen. Gerade in Ländern mit geringerer Sparquote dominieren oft kurzfristige Darlehen, auch weil die Haushalte und Unternehmen flexibel bleiben möchten.

In Kapitel 4 wird diskutiert, welche Finanzintermediäre langfristige Dar-lehen anbieten können. Die Darstellung beginnt dabei mit den Banken, deren volkswirtschaftliche Aufgaben gerade in der Zusammenführung von Sparern und Investoren sowie in der Fristentransformation bestehen. Banken verfü-gen  darüber  hinaus  über  einen  breiten  Refinanzierungsmix,  der  ihnen  in  besonderer Weise die Möglichkeit der langfristigen Kreditvergabe eröffnet. Generell können langfristige Darlehen über Einlagen, Schuldverschreibungen oder Asset Backed Securities (ABS) refinanziert werden. Diese Refinanzie-rungen sind in allen betrachteten Ländern verfügbar, wenn auch in unter-schiedlicher Gewichtung. Sofern sich eine entsprechende Nachfrage entfaltet, können  somit  auch  in  allen  Ländern  langfristige  Kredite  durch  Banken  vergeben werden. Allerdings zeigt ein historischer Exkurs auch, dass sich die Langfristfinanzierung  zunächst  etablieren  muss,  das  heißt,  die  Langfrist-finanzierung setzt entsprechende Erfahrungen der Marktteilnehmer voraus.

Im Vergleich zu anderen Finanzintermediären haben Banken strukturelle Vorteile  in  der  Langfristfinanzierung.  So  können  sie  aufgrund  der  Größe  ihrer Kreditportfolios Losgrößen besser transformieren und Laufzeitenunter-schiede  besser  austarieren,  wodurch  sie  Kredite  durchschnittlich  günstiger  anbieten  können.  Außerdem  sind  sie  auf   die  Bonitätsprüfung  und  Über-wachung der Risiken spezialisiert. Versicherungen können zwar auch Kredite bereitstellen, doch für sie ist die Kreditvergabe immer nur eine unter vielen Anlagen, da ihr Ziel in der Portfoliodiversifikation besteht. Daher vergeben Versicherungen zwar Kredite, kooperieren dabei aber in der Regel mit Banken. Dies gilt im Wesentlichen auch für Kreditfonds und andere alternative An-bieter, die im Vergleich zu Banken Größennachteile haben. Hinzu kommt, dass es den Fonds in der Regel an langfristigen Kapitalgebern fehlt, die für eine Langfristfinanzierung notwendig wären. Alles in allem können alterna-tive Finanzintermediäre Banken nicht substituieren, sondern vor allem als Komplementäre  fungieren.  Insbesondere  können  sie  über  den  Kauf   von  gedeckten Schuldverschreibungen (Covered Bonds) oder ABS die Refinanzierung  der  Banken  verbessern  und  gleichzeitig  an  dem  Rendite-Risiko-Profil der Kreditvergabe partizipieren.

Dennoch ist zukünftig mit einer stärkeren Kreditvergabe durch alternative Finanzierer zu rechnen. Der Grund ist in der Regulierung zu sehen, die  diese Finanzierer  gegenüber  klassischen  Finanzierern  begünstigt.  Dies  steht  in  Kapitel 5 im Fokus. Für Banken erweisen sich die im Rahmen der CRD IV (Capital Requirements Directive) vereinbarte ungewichtete Leverage Ratio und die Net Stable Funding Ratio (NSFR) als Hemmnis für die Langfrist-finanzierung. Die ungewichtete Leverage Ratio stellt eine Mengenbegrenzung dar, die vor allem Spezialfinanzierer trifft, die sich auf  die risikoarme Lang-fristfinanzierung  von  Immobilien  und  Gebietskörperschaften  fokussieren.  Dieses Geschäftsfeld ist im Vergleich zum Investmentbanking margenarm, weshalb  unter  den  gegebenen  Bedingungen  zusätzliche  Eigenkapitalgeber  nur schwer zu akquirieren sind. In der Folge verkürzen diese Institute ihre Bilanzen,  was  auch  die  Langfristfinanzierung  schwächt.  Die  NSFR  setzt  zusätzlich Anreize, die Kreditlaufzeiten zu reduzieren. Zudem werden auch die neuen internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS 9) des Inter-national  Accounting  Standards  Boards  den  Rückstellungsbedarf   für  die  langfristige Kreditvergabe vergrößern. Darüber hinaus wird die Nachfrage nach langlaufenden Schuldverschreibungen durch Versicherungen aufgrund von Solvency II gemindert, weshalb die langfristige Refinanzierung erschwert wird.

Im Vergleich hierzu werden andere Finanzintermediäre weniger reguliert. Dies  setzt  Anreize,  die  Kreditvergabe  zu  verlagern,  womit  aber  gleichsam  auch neue Risiken entstehen. Schließlich wird die Stabilität des Finanzsystems nicht erhöht, wenn Banken zwar stabiler werden, dafür aber neue Risiken in weniger regulierten Bereichen entstehen. Im Gegenteil: Während man über einen  reichen  Erfahrungsschatz  bei  der  Beurteilung  von  aufkommenden  Bankenkrisen  verfügt,  ist  die  Situation  im  Schattenbankensektor  deutlich  schwieriger zu beurteilen.

Gefordert wird daher ein einheitliches Level Playing Field, also ein ein-heitliches Rahmenwerk für Finanzintermediäre. Außerdem muss der Ansatz von Basel III überdacht werden. Sowohl die ungewichtete Leverage Ratio als auch die NSFR sind Hilfsmaße, die nur indirekt auf  die Insolvenzwahrschein-lichkeit hindeuten. Daher ist es geboten, diese Kennziffern weniger restriktiv zu  handhaben,  sondern  eher  als  Beobachtungskennziffern  zu  nutzen.  Bei  Abweichungen  kann  dann  eine  eingehendere  Prüfung  eingeleitet  werden.  Mehr individuelle Prüfungen würden zwar vermutlich zu höheren Kosten in der Regulierung und Aufsicht führen. Allerdings ist ein einheitlicher Ansatz angesichts der Vielzahl der Geschäftsmodelle nicht zu rechtfertigen. Vor allem aber wäre die Reduzierung der Langfristfinanzierung für die Realwirtschaft mit weit höheren Kosten verbunden.

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Michael Hüther / Michael Voigtländer / Heide Haas / Philipp Deschermeier IW-Analyse Nr. 101 22. Januar 2015

Michael Hüther / Michael Voigtländer / Heide Haas / Philipp Deschermeier: The importance of long-term financing by banks – Advantages and future challenges

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Michael Hüther / Michael Voigtländer / Heide Haas / Philipp Deschermeier: Die Bedeutung der Langfristfinanzierung durch Banken – Vorteile und zukünftige Herausforderungen

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